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Der Universalgelehrte ist wiedergeboren – als ZÜS-Prüfer

Betreiber

Es gibt einen neuen Anhang 4 in der TRBS 1201. Was hat das mit Ihnen als Betreiber zu tun? Viele denken, dass diese TRBS die Zugelassenen Überwachungsstellen (ZÜS) adressiert und nicht die Betreiber. Das ist falsch.

Und leider setzt sich mit dem neuen Anhang eine ärgerliche Entwicklung fort …

Was viele nicht wissen: Die TRBS 1201-4 ("Prüfung von überwachungsbedürftigen Anlagen – Prüfung von Aufzugsanlagen") ist keine Arbeitshilfe für die Prüforganisationen, sondern sie richtet sich an den Adressaten der Betriebssicherheitsverordnung – also an uns Betreiber. Sie beschreibt u. a. den Mindestumfang der Prüfung. Damit sollen wir wenigstens eine Ahnung davon bekommen, was die ZÜSen an den Aufzugsanlagen eigentlich so machen. Übrigens: Erst vor einem Jahr wurde dieser Anhang geändert, darüber habe ich schon berichtet.

Gehen wir gedanklich einen Schritt zurück: 2015 wurde die Betriebssicherheitsverordnung novelliert und damit begann eine ärgerliche Entwicklung für die Betreiber, die mit der aktuell geänderten TRBS 1201-4 einen vorläufigen Höhepunkt gefunden hat (dazu komme ich gleich).

Aufzüge ins Baurecht?

Doch der Reihe nach: Als damals die Betriebssicherheitsverordnung novelliert wurde, hatte im Bundesrat ein Volksvertreter die Idee, dass die ZÜSen doch auch die Aufzugsexternen Sicherheitseinrichtungen prüfen könnten. Was zunächst gut klingt, ist keine gute Idee, denn die AFEX gehören eher in die Bereiche Bau- und Arbeitsrecht. Interessanterweise war in den Jahren zuvor auch das Bundesarbeitsministerium (BMAS) bestrebt, die Aufzüge ins Baurecht zu übertragen.

Doch damit hätten die Aufzüge ihren Status als überwachungsbedürftige Anlagen verloren. Noch nicht einmal die technischen Geräte auf einer Intensivstation seien überwachungsbedürftige Anlagen, so wurde damals argumentiert, obwohl bei fehlerhaften Funktionen direkt Menschenleben gefährdet wären. Darüber lässt sich diskutieren, denn die Geräte auf Intensivstationen behalten die Pflegekräfte ständig im Auge.

Wie gefährlich sind dagegen Aufzüge? Tödliche Unfälle von Aufzugnutzern sind in Deutschland extrem selten, die Zahlen bleiben dank der ständigen Erhöhung der Sicherheit von alten und neuen Anlagen seit Jahren stabil. Aber die Diskussion ist sowieso müßig, denn die Verschiebung ins Baurecht wurde damals von den ZÜSen verhindert. Ihr Widerstand war nicht überraschend: Denn dann hätte eigentlich jeder die Aufzüge prüfen können (z. B. die Wartungsfirmen) und die ZÜSen hätten wirtschaftlichen Schaden genommen.

Aber die Frage bleibt, warum der Prüfumfang seit 2015 ständig erweitert wird, wenn die Statistiken keine steigenden Gefahren zeigen? Warum gehen die Betreiber nicht auf die Barrikaden, wenn sie immer stärker belastet werden und am Ende die Zeche zahlen müssen?

Und wir Betreiber nehmen alles hin …

In den letzten Jahren hat es eine Art Gegenbewegung gegeben: Die Aufzüge sind 2015 nicht ins Baurecht gewandert, dafür ist das Baurecht im Lauf der Jahre immer mehr Teil der Aufzugsprüfungen geworden – denken Sie nur an die AFEX-Prüfung (2015), die Prüfung des Feuerwehraufzugs (2022), der Cybersicherheit (2023) und der Schnittstelle von Aufzug und Gebäude (2023). Und wir Betreiber nehmen alles hin...

Das hat vermutlich einen einfachen Grund: Der größte Teil von uns ist mit dieser Entwicklung schlicht überfordert. So listet allein der neue Anhang 4 der TRBS 1201-4 auf sechs Seiten auf, was dem Prüfer zur Prüfung alles vorgelegt werden soll.

Wahrscheinlich sind auch schon manche Prüfer damit überfordert, denn die Rechtsgebiete, die sie zu beurteilen haben, sind inzwischen so umfangreich, dass es dafür eigene Sachverständige gibt. Der Prüfer soll nicht nur Fachmann für diverse Rechtsgebiete sein, sondern auch noch Elektroingenieur, Maschinenbauingenieur und ab jetzt auch noch Bauingenieur … Hinter vorgehaltener Hand wird gemunkelt, dass einige Prüfer über manche Mängel einfach hinwegsehen, bevor sie fehlerhafte Feststellungen treffen.

Komplizierte Nachweise

Als Gegenargument wird angeführt, dass er die Prüfungen nicht selbst durchführen muss, sondern "nur" Nachweise Dritter dafür heranzuziehen sind. Diese Nachweise sind aber selbst so kompliziert, dass wahrscheinlich kein Prüfer sie versteht, denn dafür müsste er wiederum Sachverständiger in diesen Rechtsgebieten sein.

Verstehen Sie mich nicht falsch: Es ist eine gute Idee, Dinge, die den Aufzug tangieren, ganzheitlich zu betrachten. Nur sollte man bedenken, dass die ZÜS-Prüfer keine Universalgelehrten sind und nicht Experten für alle Prüfgebiete sein können – schon gar nicht für das Bau- und Arbeitsrecht.

Ihr Bernd Betreiber


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