Die neuen Wettbewerber ticken anders
Die Digitalisierung führt dazu, dass Geschäftsfelder zunehmend verschwimmen und neue Konkurrenten in bislang abgegrenzte Branchen eindringen.
Von Dr. Lars Watermann
Dabei handelt es sich nicht immer nur um Start-ups, sondern bisweilen auch um etablierte Player mit finanzstarkem Hintergrund.
In der vorherigen Ausgabe des LIFTjournals habe ich analysiert, wie sich die industrielle Wertschöpfung als Folge der Digitalisierung immer stärker in Richtung Software verlagert ("Digitale Revolution: Mehr als eine Modeerscheinung"). Die Bedeutung der Fertigung nimmt also ab, die Eintrittsbarrieren für neue Wettbewerber sinken, das Wissen über Technologie wird transportabler.
Oft bleibt der Begriff "Digitalisierung" aber diffus. Was bedeutet er konkret für den Bereich der Wartung und Instandsetzung? Dafür muss man zunächst definieren, wer die neuen Konkurrenten sein könnten. Viele denken dabei an Start-ups, die sich dem Thema von der IT-Seite her nähern, meist mit innovativen Ideen. Hier sind zwar bereits erste Ansätze erkennbar, doch sie sind noch ein gutes Stück von einer Marktreife entfernt.
Anbieter aus der Gebäudetechnik
Viel dichter vor der Tür stehen dagegen Anbieter aus anderen Bereichen der Gebäudetechnik. Der Aufzug ist schließlich nur eine von vielen Einrichtungen, die in einem Gebäude funktionieren müssen. Im direkten Vergleich verursacht er aber eher geringe Betriebskosten. Anders ausgedrückt: Andere Anbieter haben in ihren Bereichen einen deutlichen höheren Anreiz, Kosteneinsparungen durch Digitalisierung zu erzielen.
Zudem sind diese Branchen oft auch anders strukturiert als die Aufzugbranche. Hier gibt es mehrere große Player, die Investitionen und Entwicklungen in einem ganz anderen Umfang stemmen können und müssen, damit die Wettbewerbsposition ausgebaut werden kann.
Welche Technologien hätten also die Kraft, die bisherige Ordnung umzuschmeißen? Da wäre zum Beispiel der Einsatz sogenannter AR-Brillen. Diese filmen das Sichtfeld des jeweiligen Trägers und zeigen es ihm an – angereichert um zusätzliche Einblendungen und Informationen. Fortan müssen hochqualifizierte Experten also nicht mehr vor Ort sein, sondern können andere Techniker mit breiter aufgestellten, dafür nicht so tiefgehenden Kenntnissen, bei ihrem Auftrag aus der Ferne anleiten – beispielsweise indem sie relevante Bauteile markieren und die Reparatur live überwachen.
Ein einziger Techniker-Generalist
Wenn man dieses Modell konsequent zu Ende denkt, wird nur noch ein einziger Techniker-Generalist in ein Gebäude entsandt. Er überprüft die einzelnen Anlagen und holt sich bei Bedarf Hilfe von den Fachleuten aus der Ferne. Die Spezialisten der verschiedenen Gewerke sitzen in Zukunft in der Firmenzentrale und warten darauf, dass ihr Wissen angefordert wird, um es dann per AR an den Mann vor Ort zu vermitteln.
Das Kosteneinsparungs-Potenzial, das durch diese Bündelung entsteht, ist enorm. Und auch der Komfort-Faktor ist nicht zu unterschätzen. Schließlich hat der Gebäudeeigentümer in diesem Szenario nur noch einen einzigen Ansprechpartner für sämtliche Gewerke.
Schon jetzt gibt es zahlreiche Anbieter, die als Generaldienstleister im Bereich Gebäudetechnik auftreten und Instandhaltung in Segmenten wie Heizung/Klima, Strom, Wasser/Sanitär, Einlasskontrolle/Sicherheit und IT-Infrastruktur aus einer Hand anbieten. Der Aufzug fehlt in diesen Produktpaletten noch. Doch es gibt keinen Grund zur Annahme, dass gerade dieser Bereich auf Dauer eine Insel der Glückseligen bleiben wird.
Smart Building von Amazon
Die Wettbewerber der Zukunft könnten also Unternehmen sein wie die Strabag oder Wisag, aber auch Bosch, Siemens und die Deutsche Telekom. Und auch wenn es vom heutigen Standpunkt aus verrückt klingen mag: Wer sagt eigentlich, dass Amazon mit seiner Alexa-Technologie langfristig nur das Smart Home anbieten will und nicht auch das Smart Building?
Denn in letzter Konsequenz geht es immer nur um die digitale Logik: Effizienzsteigerung durch gezielten Hard- und Softwareeinsatz, für jedermann leicht und verständlich anwendbar. Für Aufzughersteller, die hier noch keine Strategie haben, wird es angesichts dieser neuen Gegner jedenfalls schwer werden, ihr Servicegeschäft zu verteidigen.
Der Autor ist Geschäftsführer der Watermann Agens GmbH und auf Firmentransaktionen in der Aufzugbranche spezialisiert.
Weitere Informationen: watermann.ag
Kommentar schreiben