Die Fahrkörbe bei den Schrägaufzügen des Pariser Eiffelturms wurden in den vergangenen Jahren runderneuert. Dabei wurden auch wesentliche Sicherheitsbauteile ausgetauscht.

Die Fahrkörbe bei den Schrägaufzügen des Pariser Eiffelturms wurden in den vergangenen Jahren runderneuert. Dabei wurden auch wesentliche Sicherheitsbauteile ausgetauscht. (Foto: © Anna Efetova / iStock.com)

PESSRAL: Neue Zeiten für Betreiber und Hersteller

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Programmierbare elektronische Systeme ersetzen vermehrt sicherheitsrelevante, mechanische Bauteile. Das vereinfacht und beschleunigt sowohl die Prüfung als auch die Instandhaltung erheblich.

Wie Aufzugsbetreiber und -hersteller von der Digitalisierung profitieren können und was das mit dem Eiffelturm zu tun hat, erläutert TÜV Süd.

Aufzüge gehören nach wie vor zu den sichersten Transportmitteln. Bislang werden ihre sicherheitsgerichteten Funktionen überwiegend durch mechanisch-elektrische Bauteile realisiert. So finden sich in den meisten Aufzügen zusätzlich zu Stockwerks-, End- und Inspektionsschaltern eine separate Schachtkopierung und ein Geschwindigkeitsbegrenzer. Elektronische Bauteile sind bislang nur vereinzelt mit Sicherheitsfunktionen ausgestattet.

Programmierbare elektronische Systeme, sogenannte PESSRAL (Programmable Electronic System in Safety-Related Applications for Lifts) bündeln diese Funktionen und ersetzen so alterungsanfällige und wartungsintensive mechanische Bauteile.

Die softwaregestützten Systeme ermöglichen einen höheren Sicherheitsstandard, weil sie dynamisch auf gefährliche Situationen reagieren. Weniger Bauteile bedeuten geringere Anschaffungs- und Instandhaltungskosten sowie verkürzte Stillstände aufgrund von Prüfungen oder Reparaturen. Das Risiko zufälliger Fehler, etwa durch Materialermüdung, sinkt ebenfalls.

Fernüberwachung und Predictive Maintenance

Der Wartungsaufwand sinkt auch dank neuer Möglichkeiten zu Fernüberwachung und Remote Services. Über das IoT (Internet of Things) lässt sich der Betrieb überwachen und Anomalien sofort erkennen – die Grundlage für eine vorsorgende Instandhaltung: Nach einer risikoorientierten Priorisierung auf Basis errechneter anlagenspezifischer Zuverlässigkeitskennwerte für Komponenten und Subsysteme können Wartungsmaßnahmen und Reparaturen langfristig geplant und das Budget besser kalkuliert werden.

Software unterliegt keinen zufälligen, also unvermeidbaren Fehlern. Sie kann nicht altern, verschleißen oder abnutzen. Entsprechend größere Aufmerksamkeit muss den systematischen Fehlern zuteilwerden, z. B. Auslegungsfehlern der Softwarefunktionen. Sie lassen sich mit Hilfe eines geeigneten Qualitätscontrollings anhand eines Managementsystems zur Funktionalen Sicherheit vermeiden.

Neu ist die Gefahr intendierter Fehler durch Hackerangriffe. Deshalb muss auch die Cyber-Security in den Lebenszyklus der Funktionalen Sicherheit integriert werden. Das bringt neue Anforderungen für Betreiber und Wartungsfirmen: Sie müssen den physikalischen Zugang zur Aufzugssteuerung sichern, kontrollieren und die sicherheitsrelevante Software regelmäßig aktualisieren. Weitere Punkte betreffen die Konfiguration der datentechnischen Vernetzung sowie das Management von Berechtigungen, Passwörtern und Authentifizierungen.

Passgenaue Lösung für den Eiffelturm

Aufgrund ihrer Individualität sind Schrägaufzüge als maßgeschneiderte Anlagen mit modernsten Sicherheitsfunktionen oft technische Vorreiter und richtungsweisend für die Branche. Bei den deutlich kostenintensiveren Sonderlösungen verfügen die Entwickler meist über mehr Budget, um neue technische Möglichkeiten auszuloten. Diese definieren wiederum den veränderten Stand der Technik.

So auch bei den Schrägaufzügen des Pariser Eiffelturms. Im Zuge einer Runderneuerung der Fahrkörbe in den vergangenen Jahren wurden auch wesentliche Sicherheitsbauteile ausgetauscht. "Die Renovierung des Nordlifts wird neben einer effizienteren Ausstattung die Empfangsbedingungen für Besucher, aber auch die Arbeit der SETE-Mitarbeiter verbessern, die durch modernere Anlagen erleichtert wird", so Stéphane Roussin, Projektleiter bei der Eiffelturm-Betreibergesellschaft SETE.

PESSRAL soll dabei unter anderem den elektronischen Geschwindigkeitsbegrenzer ersetzen. Der TÜV Süd wurde mit den Baumusterprüfungen einzelner Komponenten beauftragt. Das besondere an PESSRAL: Die Prüfgesellschaft muss jetzt schon zuverlässige Prüfverfahren entwickeln, für Systeme, die in Zukunft die Aufzugswelt bestimmen werden.

So profitieren weltweit Betreiber von den Entwicklungen für den Eiffelturm. Wie andere Sonderlösungen auch, dient er als Prototyp für moderne Sicherheitsfunktionen und deren Prüfung.

Jonas Conrady ist Abteilungsleiter New Technologies, TÜV SÜD Industrie Service GmbH. Dr. Rolf Zöllner ist Head of Business Development Lifts, Cranes & Conveyors, TÜV SÜD Industrie Service GmbH.


Weitere Informationen: tuvsud.com/de-is

Die Normenreihe EN 81-20/50 beschreibt Sicherheitsregeln für die Konstruktion und den Einbau von Aufzügen. Damit konkretisiert sie die europäische Aufzugrichtlinie 2014/33/EU. Anhang A der EN 81-20 beinhaltet eine Liste der elektrischen Sicherheitseinrichtungen. Sie können durch Sicherheitsfunktionen realisiert werden, die den Anforderungen der Funktionalen Sicherheit entsprechen müssen.