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Neuer Branchenreport: Knackpunkt ist der Fachkräftemangel

Aktuelles

Drei Megatrends beeinflussen aktuell die deutsche Aufzugsbranche: Digitalisierung, Nachhaltigkeit und demografischer Wandel. Das zeigt der neue Branchenreport über die deutsche Aufzug- und Fahrtreppenbranche, der jetzt erschienen ist.

Autor ist erneut Dr. Jürgen Dispan. Das LIFTjournal veröffentlicht die leicht gekürzte Zusammenfassung.

Die Aufzugs- und Fahrtreppenbranche hat rund 22.000 Beschäftigte, der Kernbereich der Branche hat sich in Deutschland in einem langfristigen Prozess stark von der Produktion in Richtung Dienstleistung und Service gewandelt. Das Servicegeschäft mit Wartung, Reparatur und Ersatzteilen steht heute bei den meisten Unternehmen im Zentrum, flankiert von Verkauf und Montage von Neuanlagen und der Modernisierung. Für die Produktion von Aufzügen und Fahrtreppen und ihren Komponenten gibt es inzwischen europa- oder weltweite Wertschöpfungskonzepte und sie findet nur noch in wenigen inländischen Werken statt.

Schon seit Jahrzehnten gehören zu den Branchenspezifika die überaus starke Serviceorientierung, die Konzentrationsprozesse bei den Unternehmen, die internationalen Wertschöpfungsstrategien, die Ausweitung atypischer Beschäftigungsformen (Subcontracting) im Neuanlagenbau und Modernisierungsgeschäft, die Leistungsverdichtung und vermehrte Arbeitskontrolle insbesondere für die Monteure (mit besonderer Belastung durch Auswärtstätigkeit) sowie die Normen und Richtlinien als Innovationstreiber.

Drei Megatrends

Download: Hier können Sie den Branchenreport 2023 kostenfrei als PDF-Datei herunterladen In den 2020er Jahren beeinflussen die drei Megatrends Digitalisierung, Nachhaltigkeit und demografischer Wandel die Branchenentwicklung und die Unternehmensstrategien maßgeblich. Insbesondere die Digitalisierung könnte zum Game Changer für die Aufzugs- und Fahrtreppenbranche an sich und im Speziellen für die Arbeitswelt in der Branche werden.

Die digitale Transformation hat sich nicht zuletzt seit der Corona-Pandemie nochmals immens beschleunigt, insbesondere was die Arbeitsprozesse in allen Tätigkeitsbereichen betrifft. Digitale Services, neue Geschäftsmodelle, Künstliche Intelligenz, Datenanalytik und das "Internet der Aufzüge" werden die Branche an sich und die Arbeit in der Branche grundlegend verändern. Eine besondere Rolle spielen hier die Arbeitsbedingungen für Auswärtstätige, die sich durch digitale Tools weiter verändern.

Spezifische Ansätze der Digitalisierung in der Aufzugsbranche liegen beispielsweise in digitalen Plattformen für die Zustandsüberwachung und vorausschauende Wartung der Anlagen (Condition Monitoring und Predictive Maintenance), Sensorik- und Cloudlösungen mit Datenauswertung und digitalen Features für die Anlagenbetreiber, Apps und Zusatzfunktionen für das Fahrgasterlebnis sowie der Integration des Produkts "Aufzug" in das vernetzte System der Gebäudetechnik.

Nachhaltigkeit und Fachkräftemangel

Nachhaltigkeit, Dekarbonisierung, Ökobilanzen, CO2-Footprint, Ressourceneffizienz, Kreislaufwirtschaft werden im Hinblick auf die globale Herausforderung Klimaschutz wie auch wegen rechtlicher und kundenseitiger Anforderungen unerlässlich.

Für alle Unternehmen der Aufzugsbranche stellt der demografische Wandel und damit einhergehende Fachkräftebedarfe die Branche vor große Herausforderungen, insbesondere was die Rekrutierung von Servicemonteuren, Technikern und Digitalisierungsspezialisten wie auch die Felder Ausbildung und Weiterbildung betrifft.

Mit diesen drei Megatrends Digitalisierung, Nachhaltigkeit und Demografie sind die großen strukturellen Herausforderungen für die Aufzugs- und Fahrtreppenbranche verknüpft. Dazu kommen aktuelle Herausforderungen, die in erster Linie bei Lieferengpässen, Materialknappheit und starken Preiserhöhungen bei Zukaufteilen und Komponenten liegen.

Leistungsdruck und Arbeitsverdichtung

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Bei der Frage nach Herausforderungen und "Knackpunkten" für die Unternehmen der Aufzugs- und Fahrtreppenbranche haben die befragten Experten den Fachkräfte- und Nachwuchskräftemangel am stärksten gewichtet. Als weitere limitierende Faktoren wurden die Liefer- und Materialengpässe und daraus resultierende Preissteigerungen genannt.

Fast alle befragten Betriebsräte nannten als weiteren Knackpunkt die Arbeitsbedingungen im Innendienst und bei Auswärtstätigkeiten, die zunehmend durch Leistungsdruck, Arbeitsverdichtung und psychische Belastung geprägt sind, sowie den Mangel oder Verbesserungsbedarfe bei der strategischen Personalplanung.

Fast ebenso häufig wurde die Eindämmung der Fremdvergabe an Subunternehmen und die Stärkung der Eigenmontage als Herausforderung benannt. Doch wie schätzen die befragten Experten die Zukunftsaussichten der Aufzugs- und Fahrtreppenbranche in Deutschland ein?

Gute wirtschaftliche Aussichten

Zum Abschluss der Experteninterviews gaben die Befragten eine Einschätzung zu den Perspektiven der Branche im Hinblick auf die wirtschaftliche und die Beschäftigungsentwicklung bis zum Jahr 2030 ab: Die wirtschaftlichen Aussichten wurden einhellig als gut bis sehr gut eingeschätzt, weil viele generelle Entwicklungstrends der Branche "in die Karten spielen".

Bei den Einschätzungen der Beschäftigungsperspektiven 2030 in Deutschland war das Bild differenzierter. In quantitativer Hinsicht wird von den meisten ein mehr oder weniger moderater Abbau von Arbeitsplätzen erwartet; einige befragte Experten gehen von einer Seitwärtsbewegung aus, also einer Kompensation negativer Arbeitsplatzeffekte (bspw. durch neue, vorausschauende Wartungskonzepte und Remote-Services) durch das Wachstum bei Modernisierung, Neuanlagen und "Lifts-in-Service".

Für administrative Tätigkeiten wird von den Experten mit rückläufiger Beschäftigung gerechnet. Die Standardisierung von Prozessen begünstigt die Zentralisierung von Tätigkeiten wie auch das Outsourcing und Offshoring, also die Auslagerung und Verlagerung von Verwaltungstätigkeiten. Mit zunehmender Digitalisierung werden sich aber auch neue Möglichkeiten für Beschäftigung eröffnen. Neue Jobprofile werden eine Rolle spielen und es wird Wachstumsbereiche bei der Beschäftigung geben, wie beispielsweise Spezialisten für Software, Programmieren, Datenanalyse oder Künstliche Intelligenz.

Polarisierung bei den Auswärtstätigkeiten

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In qualitativer Hinsicht wird von fast allen befragten Experten eine Ausdifferenzierung bzw. Polarisierung bei den Auswärtstätigkeiten für die nächsten Jahre erwartet. Während bei den klassischen Routenmonteuren Arbeitsplätze entfallen, wird die Schere zwischen den technischen Spezialisten auf der einen Seite und den Monteuren für einfache Wartungsaufgaben auf der anderen Seite bei Qualifikation, Arbeitsbedingungen und Entgelt aufgehen.

Alles in allem sind der langfristige Erfolg und die Zukunftsfähigkeit der Aufzugsbranche stark abhängig von gut ausgebildeten und motivierten Belegschaften in den Betrieben. Entscheidend sind die Kompetenzen und Qualifikationen der Beschäftigten, die betriebliche Ausbildung und Weiterbildung, die Qualität der Arbeit und die Arbeitsbedingungen, die Partizipations- und Mitbestimmungsmöglichkeiten und eine innovationsförderliche Unternehmenskultur.

Die Bündelung dieser Themen in einer vorausschauenden, strategischen Personalpolitik ist ein entscheidendes betriebliches Gestaltungsfeld für die Zukunftsfähigkeit der Unternehmen der Aufzugs- und Fahrtreppenbranche und damit auch des gesamten Maschinenbaus.


Weitere Informationen: Den vollständigen Branchenreport 2023 können Sie sich online herunterladen: imu-institut.de und boeckler.de


Hintergrund: Der IMU-Branchenreport wird von der Hans-Böckler-Stiftung und der IG Metall herausgegeben. Der vergangene Branchenreport war 2015 erschienen. Für den Branchenreport 2023 wurden Experteninterviews in Unternehmen (mit Betriebsräten und Führungskräften), mit Branchenverantwortlichen der IG Metall und mit Geschäftsführern/Vorsitzenden der Verbände VDMA (Fachverband AuF), VFA Interlift und VmA geführt.

Außerdem sammelte der Autor Dr. Jürgen Dispan Informationen bei Gesprächen auf der interlift 2022, dem E2-Forum sowie bei Branchentagungen Aufzüge und Fahrtreppen der IG Metall. Neben der Literaturauswertung und Dokumentenanalyse wurden für die Studie auch die statistische Daten zur wirtschaftlichen Entwicklung von VDMA und VFA sowie eigene Erhebungen zur Beschäftigung und Unternehmensstruktur genutzt.

Die gut 22.000 Mitarbeiter verteilen sich auf:
• Big-4 (inkl. Töchter) 14.000
• Große Mittelständler 2.300
• Aufzugs-KMU 6.000

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