Glasfaserausbau setzt britische Aufzugsbetreiber unter Druck
Großbritannien stellt sein Festnetz von analog auf digital um. Anfang 2027 werden die Kupferkabel wohl endgültig gekappt. Bis dahin müssen auch die Notrufsysteme von Aufzügen umgestellt sein.
Von Lars Lindert und Bernd Lorenz
Die analoge Telefonleitung hat in Großbritannien bald ausgedient. Das traditionelle, leitungsvermittelte Telefonnetz, das für die Übertragung von Sprachkommunikation verwendet wird und aus der physischen Zwei-Draht-Kupferleitung besteht (englisch: Public Switched Telephone Network oder PSTN) wird bis zum 31. Januar 2027 außer Betrieb genommen. Dies hat Openreach, eine 100-prozentige Tochtergesellschaft der British Communications Group, die sich um das nationale Breitband- und Telefonnetz kümmert, angekündigt. Damit endet die Ära des Kupferkabels. Stattdessen wird man den Ausbau des Glasfasernetzes für Hochgeschwindigkeits-Breitbanddienste vorantreiben.
Der technologische Wandel hat zur Folge, dass die Betreiber von Aufzügen die darin installierten Notrufsysteme so schnell wie möglich umstellen müssen. Der britische Aufzugsverband LEIA (Lift and Escalator Industry Association) schätzt, dass es derzeit rund 300.000 Aufzüge im Vereinigten Königreich gibt. Bei 250.000 von ihnen wird die Zwei-Wege-Kommunikation analog betrieben.
"Viele Notrufsysteme in Aufzügen verwenden analoge Telefonleitungen mit der sogenannten a/b-Schnittstelle und benötigen einen Wählton sowie das Mehrfrequenztonwählverfahren (kurz MFV; englisch: Dual-Tone-Multi-Frequency), um zu funktionieren. Eine beträchtliche Anzahl von Aufzugsnotrufsystemen nutzt auch die auf der a/b-Schnittstelle vorhandene Gleichspannung zur Spannungsversorgung der Notrufsysteme", so Micky Grover White, Technical Manager der LEIA.
Kein Wählton ohne Kupferdoppelader
Wie sich die Abschaltung des analogen Netzes auf das Notrufsystem auswirkt, hat Stannah – ein englischer Hersteller von Aufzügen – in einem Blog-Beitrag im Mai 2024 erläutert: Demnach sorgt ein Notrufsystem, dessen Hardware an eine a/b-Schnittstelle angeschlossen ist, für die wechselseitige Kommunikation zwischen den eingeschlossenen Personen und einem Notdienst. Viele Notrufsysteme verwenden die DTMF-Signale zur Kommunikation mit und Identifizierung bei der Notrufzentrale.
Ohne die analoge Schnittstelle könnten Notrufsysteme, die über ein Gateway mittels "Voice over Internet Protocol" (VoIP) und Glasfaser kommunizieren, den Notdienst möglicherweise nicht mehr erreichen, da etwa kein Wählton vorhanden sein könnte. Darüber hinaus funktionierten die Notrufsysteme, die Strom über die Telefonleitung beziehen, nicht.
Die meisten Telefonanbieter böten inzwischen zwar Gateways mit analoger a/b-Schnittstelle in ihren Internet-Routern an. Dies sei aber keine Einheitslösung – sie ist zum Beispiel nicht für Notrufsysteme in Aufzügen geeignet, da sie keine Notstromversorgung haben, um auch bei einem Stromausfall ausfallsicher funktionieren zu können.
Offene Fragen zu Glasfaser
Micky Grover White rechnet damit, dass es bald Notrufsysteme für Aufzüge geben wird, die über Glasfaserverbindungen mit "Voice over Internet Protocol" (VoIP) arbeiten. Diese seien aber noch nicht weit verbreitet. Er weist auf ein Problem hin: "Glasfaserkabel können keine Spannung führen. Somit benötigen die Notrufsysteme eine Notstromversorgung, um den Notruf auch bei einem Stromausfall aufrechtzuerhalten."
Sofern bereits ein Glasfaseranschluss zur Verfügung steht, sollten sich Aufzugsbetreiber und Aufzugsunternehmen an einen Tisch setzen, um einige Fragen zu klären: Ist eine a/b-Schnittstelle verfügbar, die eine analoge Telefonverbindung bietet? Ist diese mit dem Aufzugsalarm kompatibel (z. B. Übertragung von DTMF-Tönen, Leitungsspannungen, Wählton)?
Ist die Kommunikationsverbindung mit einer Notstromversorgung ausgestattet? Welche Maßnahmen sind für die Wartung von batteriegestützten Anlagen vorgesehen und meldet sich die Anlage, wenn die Kapazität der Notstrombatterie nicht mehr ausreichend ist?
Umstellung auf Mobilfunk
Als Alternative zur analogen Leitung können die Betreiber die Notrufsysteme ihrer Aufzüge auf Mobilfunk umstellen lassen. Dies bietet laut Micky Grover White eine Reihe von Vorteilen. So könne das Mobilfunk-Modul des Aufzugs problemlos mit einer Notstrombatterie betrieben werden, sodass der Notruf – wie in der Norm BS EN 81-28 gefordert – auch bei einem Stromausfall funktioniere. Zudem stelle die Nutzung einer Roaming-SIM-Karte sicher, dass das Notrufsystem unabhängig vom Anbieter immer mit dem stärksten verfügbaren Netz verbunden sei.
Auf mittlere Sicht scheint eine Mobilfunk-Lösung mit einer Notstrombatterie die bessere Wahl zu sein. Doch nicht nur mit dem Kupferkabel geht es zu Ende. In einigen Jahren steht auch die Abschaltung von Mobilfunkdiensten wie 2G (GSM) und 3G (UMTS) an (siehe auch unser Online-Artikel "2G-Abschaltung: Erfahrungen und Aussichten").
Laut Ofcom, der britischen Regulierungsbehörde für Telekommunikation, haben die Mobilfunknetzbetreiber der Regierung signalisiert, dass 2G- und 3G-Mobilfunknetze spätestens ab 2033 nicht mehr angeboten werden. Da diese Netze in den nächsten Jahren auslaufen werden, empfiehlt die LEIA eine 4G-Lösung. Um auf die Veränderungen vorbereitet zu sein, fordert Micky Grover White die Aufzugsbetreiber auf, frühzeitig mit ihren Kommunikations- und Wartungsanbietern zu sprechen.
Weitere Informationen: leia.co.uk
stannah.com
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