Nicht immer können die Prüfer vor Ort nachvollziehen, welche Software aktuell installiert ist.

Nicht immer können die Prüfer vor Ort nachvollziehen, welche Software aktuell installiert ist. (Foto: © TÜV Süd)

Funktionale Sicherheit: Aufzüge digitalisieren – mit PESSRAL

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Die Sicherheitstechnik von Aufzügen wird zunehmend digitalisiert. Noch arbeiten viele Systeme rein mechanisch. Programmierbare elektronische Sicherheitssysteme (PESSRAL) gewinnen deutlich an Bedeutung. Was ist dabei zu beachten? Ein Überblick.

Von Katrin Schwickal

Wofür steht PESSRAL?

PESSRAL steht für "Programmable Electronic System in Safety-Related Applications for Lifts". Damit gemeint sind auf die Sicherheit gerichtete Funktionen von Aufzugsanlagen, die bislang größtenteils von verschiedenen mechanisch-elektrischen Bauteilen erfüllt wurden. Sie werden zunehmend übernommen von einer programmierbaren elektronischen Steuerung (PES) mit entsprechender Sensorik und Aktorik, die über Bus-Systeme Daten austauschen.

Dieser große Schritt in Richtung einer weiteren Digitalisierung von Aufzugsystemen macht einige mechanische Sicherheitsfunktionen obsolet und ermöglicht einen höheren Sicherheitsstandard bei geringeren Wartungskosten. Denn die Software reagiert dynamisch auf gefährliche Situationen, liefert permanent Daten und verschleißt nicht. Zudem kann sie fortlaufend neuen Standards angepasst werden.

Wie funktioniert PESSRAL in der Praxis?

Kann eine unbeabsichtigte Manipulation durch Servicetechniker oder unternehmensfremdes Wartungspersonal ausgeschlossen werden? Foto: © TÜV SüdKann eine unbeabsichtigte Manipulation durch Servicetechniker oder unternehmensfremdes Wartungspersonal ausgeschlossen werden? Foto: © TÜV Süd

Eine Liste von Sicherheitseinrichtungen, die den Anforderungen der funktionalen Sicherheit entsprechen müssen, findet sich im Anhang A der EN 81-20. Viele davon können Teil eines PESSRAL sein, müssen es aber nicht. Neu und wichtig ist, dass nun im Zusammenhang mit PESSRAL von Sicherheitsfunktionen und nicht mehr ausschließlich von Sicherheitsbauteilen gesprochen wird.

Beispielsweise kann die Vielzahl der an der Absturzsicherung (z. B. Fangvorrichtung) beteiligten Komponenten in einem Aufzugssystem durch Elektronik reduziert werden. Durch Sensorik werden Weg und Position des Aufzugs im Schacht gemessen. Sie überwacht auch die Geschwindigkeit und kann früher als mechanische Systeme die Fangvorrichtung über die Logik und den Aktor auslösen, um den Aufzug zu stoppen.

Damit entfällt z. B. der herkömmliche Geschwindigkeitsbegrenzer sowie dessen Antriebsseil mit Spannvorrichtung in der Schachtgrube. Die Sicherheitsfunktion für den Fall der Übergeschwindigkeit ist somit weiterhin erfüllt.

Wie laufen Prüfungen ab?

Geprüft wird neben der Funktionsfähigkeit der Sicherheitsfunktionen auch der Softwarestand. Änderungen an sicherheitsbezogener Software (z. B. Updates) können Einfluss auf den sicheren Betrieb der Anlage haben und sind nicht immer offensichtlich. Der Tausch mechanischer Sicherheitsbauteile ist meist schon optisch zu erkennen, geht einher mit anderen Baumusterbescheinigungen oder wurde vorab geprüft.

Auch Änderungen an sicherheitsgerichteter Software sind nach TRBS 1201 Teil 4 Anhang 2 prüfpflichtig und müssen von einer zugelassenen Überwachungsstelle geprüft werden, wenn sie die Bauart oder Betriebsweise beeinflussen. Zudem haben die elektronischen Bauteile nur in der erwarteten Gebrauchsdauer die zugesicherte und (im Gegensatz zu mechanischen Bauteilen) vorhersagbare Zuverlässigkeit. Diese lässt sich bei Sicherheitsfunktionen anhand der entsprechenden Angaben im Sicherheitshandbuch bewerten.

Eine Trennung von betrieblicher und sicherheitsbezogener Software hilft. Sie zeigt schnell und eindeutig, was verändert wurde.

Wer trägt die Verantwortung?

Foto: © TÜV SüdFoto: © TÜV Süd

Zwar liegt die Verantwortung für den sicheren Betrieb beim Betreiber, wobei selbstverständlich der Hersteller für die Produktsicherheit (inhärente Sicherheit) verantwortlich ist. In Abstimmung mit dem Betreiber muss der Hersteller z. B. Wartung und Instandsetzung als Teil der Gefährdungsbeurteilung abstimmen.

Neben der Normenreihe EN 81-20/50, die die Sicherheitsregeln für die Konstruktion und den Einbau von Aufzügen beschreibt, existiert seit 2021 die TRBS 1115 "Sicherheitsrelevante Mess-, Steuer- und Regeleinrichtungen".

Sie verlangt vom Betreiber ein Konzept zum Management der funktionalen Sicherheit von Aufzügen. Kaum ein Einzelbetreiber wird ein solches Konzept allerdings selbst erstellen können. Viele werden es an die an Herstellung, Einbau und Wartung beteiligten Firmen delegieren wollen bzw. müssen. Somit ist die gesamte Branche in der Verantwortung.

Wie verändern sich die Anforderungen an die Aufzugsbranche?

Zusätzlich zum handwerklichen Einsatz im Aufzugsschacht ist mehr Kompetenz hinsichtlich Software und IT-Sicherheit gefordert. Mit PESSRAL können elektronische Bauteile einige mechanische Komponenten zukünftig ersetzen.

Hersteller, Wartungsfirmen und Betreiber müssen deshalb ein stärkeres Augenmerk auf die Software legen, die die Sicherheit elektronisch gewährleistet. Sie bietet vielfältige Einsatzmöglichkeiten und mehr Flexibilität durch z. B. Updates, eröffnet aber auch Möglichkeiten die Anlage in einen unsicheren Zustand zu versetzen. Ob unbeabsichtigte Parameteränderung oder willentliche Manipulation: Cyber-Security muss zukünftig ein integraler Bestandteil digitalisierter Aufzugsanlagen sein.

Die Autorin ist Senior Business Process Manager beim TÜV SÜD Industrie Service GmbH


Weitere Informationen: tuvsud.com/aufzuege

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