Der Aufzug im ÜAnlG: Dieter Roas ist zufrieden
"Ich halte es persönlich für sehr gelungen“, sagt Dieter Roas. Die Rede ist von dem Gesetz über überwachungsbedürftige Anlagen (ÜAnlG). Ein Interview über die Folgen für Betreiber, Hersteller, Instandhaltungsfirmen und Zugelassene Überwachungsstellen (ZÜS).
Das LIFTjournal hat mit Dieter Roas, dem Vorsitzenden des Erfahrungsaustauschkreises der Zugelassenen Überwachungsstellen (EK ZÜS) gesprochen. Die wichtigsten Fakten über das ÜAnlG zum Einstieg lesen Sie hier.
Das ÜAnlG ist am 16. Juli 2021 in Kraft getreten. Wie ist Ihr Fazit?
Roas: Ich halte es persönlich für sehr gut gelungen. Ich bin auch froh darüber, dass es nun ein eigenes Gesetz für überwachungsbedürftige Anlagen gibt. Bisher wurde der Betrieb von überwachungsbedürftigen Anlagen im Produktsicherheitsgesetz (ProdSG) geregelt. Dort waren sie ein "Fremdkörper", denn der Betrieb der Anlagen hat mit der Produktsicherheit nur wenig zu tun. In einem eigenen Gesetz kann man viel spezifischer auf diese Anlagen eingehen und die Verpflichtungen für Betreiber, für Zugelassene Überwaschungsstellen (ZÜS) oder Behörden spezifischer regeln. Was den Aufzugsbereich im ÜAnlG angeht, bin ich komplett zufrieden.
Welche konkreten Folgen hat das ÜAnlG für Betreiber und Hersteller?
Roas: Im Gesetz sind die Zuständigkeiten klarer und verständlicher geregelt. Erstmalig wurde auch der Begriff "Betreiber" definiert – als jede Person, die Einfluss auf die sichere Verwendung der Anlage hat. Das betrachte ich als sehr großen Vorteil.
Zudem geht es im Gesetz natürlich um Wartung und Instandhaltung, damit sind die Hersteller und die Wartungsfirmen angesprochen. Ein anderer Part sind die Verpflichtungen für den Betreiber/Arbeitgeber, aber auch die Befugnisse für Behörden – zum Beispiel, inwieweit die Behörde die ZÜS kontrollieren kann. Es ist jetzt durchaus denkbar, dass die Behörde kontrolliert, ob die ZÜS ihre Prüfungen korrekt durchgeführt hat. Das war in der Vergangenheit nicht so eindeutig geregelt.
Sie warten noch auf die Verordnung zum Gesetz, warum braucht man sie überhaupt? Reicht es nicht, wenn man die Betriebssicherheitsordnung anpasst?
Roas: Es ist die Entscheidung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, eine eigene Verordnung zu schreiben, und es ist auch ein Standard in der Gesetzgebung: Nachrangig zu einem Gesetz gibt es in den meisten Fällen eine Rechtsverordnung. Darin gibt es viele Konkretisierungen und weitere Vorschriften, die die Umsetzung des Gesetzes in die Praxis betreffen – zum Beispiel Intervalle für Prüfungen oder Verpflichtungen, die sich für den Betreiber/Arbeitgeber oder auch eine ZÜS ergeben. Ich gehe davon aus, dass wir 2023 diese Verordnung bekommen.
Foto: © TÜV VerbandMan muss die Betriebssicherheitsverordnung aber auf jeden Fall überarbeiten, weil die Bezüge zu den relevanten Gesetzen nicht mehr passen. Überarbeitet werden muss auch die Differenzierung zwischen überwachungsbedürftigen Anlagen und anderen Arbeitsmitteln, was sehr aufwendig sein dürfte. Gleichzeitig gibt es einige Neuerungen und Definitionen im Gesetz, die sich in der Betriebssicherheitsverordnung nicht wiederfinden – zum Beispiel, wie erwähnt, der Begriff Betreiber. Hier gilt das von mir bereits erwähnte Argument: In einem eigenen Gesetz für überwachungsbedürftige Anlagen kann man vieles deutlicher und klarer regeln.
Welche Erwartungen haben Sie an die neue Verordnung zum ÜAnlG?
Roas: Neben einer wesentlichen Konkretisierung der überwachungsbedürftigen Anlagen im ÜAnlG besteht ein großer Unterschied zwischen ÜAnlG und dem Produktsicherheitsgesetz darin, dass im ProdSG die überwachungsbedürftigen Anlagen als abgeschlossener Katalog von überwachungsbedürftigen Anlagen festgelegt waren. Diese sind im ÜAnlG nun nicht mehr konkret aufgezählt und sollen künftig in der Verordnung zum ÜAnlG weiter definiert/genannt werden.
Wann werden die Forderungen aus dem ÜAnlG von den ZÜSen umgesetzt?
Roas: Grundsätzlich gilt, dass das neue Gesetz für überwachungsbedürftige Anlagen mit der Veröffentlichung gilt und angewendet werden muss. In bestimmten Bereichen ist das aber nicht unmittelbar möglich, da unter Umständen erst einmal die Voraussetzungen geschaffen werden müssen. So haben zum Beispiel die Bundesländer Hessen, Berlin, Bayern und Rheinland-Pfalz bislang keine dateiführende Stelle für die Aufsicht von überwachungsbedürftigen Anlagen geführt (Anlagenkataster, AnKa) – was bisher nicht verpflichtend war. Dafür müssen zunächst die technischen und verwaltungstechnischen Voraussetzungen geschaffen werden.
Derzeit wird in diesen Ländern mit Nachdruck an dieser Umsetzung gearbeitet. Ein anderes Beispiel sind die Umsetzungen der Mängelverfolgungen/Nachprüfungen und der Mitteilungspflichten durch die ZÜSen an die Behörden, wozu es nun bundeseinheitliche Regelungen gibt, z. B. wie bei sicherheitserheblichen Mängeln zu verfahren ist. Diese Anpassungen sind beispielsweise bei den ZÜSen weitestgehend umgesetzt.
Macht das ÜAnlG die ZÜS-Verordnung nicht überflüssig?
Roas: Aktuell kann das nicht uneingeschränkt behauptet werden, denn viele Länder haben ihre Prozesse hinsichtlich der Aufsicht über die überwachungsbedürftigen Anlagen über viele Jahre hinweg erfolgreich gelebt. Derzeit gelten die ZÜS-Verordnungen (VO) der einzelnen Länder auch fort, zumindest, solange sie nicht dem ÜAnlG widersprechen oder im Gesetz bereits geregelt sind. Mit der neuen Verordnung zum ÜAnlG sollten dann die ZÜS-VO hinfällig werden und für alle Bundesländer die gleichen Regelungen gelten. Das wird sicherlich zur Vereinfachung beitragen.
Die ZÜSen müssen ihr Meldeverhalten gegenüber Behörden und ihren Kunden anpassen. Viele Betreiber sind darauf aber nicht vorbereitet und laufen deshalb Gefahr, unangenehme Post von den Behörden zu erhalten. Ist das schon geschehen und wie häufig?
Roas: Das ist genau der Punkt, der heute oft über ZÜS-Verordnungen geregelt ist. Es gibt aber auch Länder, die gar keine ZÜS-Verordnung haben und damit über die BetrSichV hinaus gar nichts regeln. Heutzutage ist es nicht überall gefordert, sicherheitserhebliche Mängel, bzw. wenn diese nicht nach einer festgelegten Frist beseitigt wurden, an die Behörden zu melden. Da werden Betreiber natürlich überrascht sein, weil sie diese Systematik nicht kennen.
Wenn heute von den ZÜSen bestimmte Meldepflichten im Gesetz verlangt werden, dann haben die ZÜSen dies in der Regel auch schon umgesetzt. Ich kann mir gut vorstellen, dass dies bei Betreibern, die diese Verpflichtung nicht kennen, für eine Überraschung gesorgt hat. Dann gibt es schon einmal Anrufe bei den ZÜSen, bei denen gefragt wird, warum die ZÜS diese Informationen weitergegeben haben. Grundsätzlich hat die Behörde bei Missachtung der aktuell geltenden Regelungen auch die Möglichkeit, ein Bußgeld zu verhängen; das kann dann auch ganz schnell teuer werden.
Sie merken an, dass selbst nach 20 Jahren BetrSichV gerade kleine und mittlere Unternehmen/Betreiber teils nicht ausreichend über ihre Pflichten und Möglichkeiten bei der Anlagensicherheit informiert sind – auch vom ÜAnlG haben viele dieser Unternehmen und Betreiber noch nichts gehört. Glauben Sie immer noch an den Fortschritt?
Roas: Nach meiner Erfahrung kennen sich viele Betreiber gut mit der aktuellen Betriebssicherheitsverordnung aus. Gerade in größeren Betreibergesellschaften, z. B. Hausverwaltungen, oder der Industrie (wie z. B. Kraftwerksbetreiber oder der Chemischen Industrie) gibt es häufig eigene Bereiche, die sich speziell mit Betreiberpflichten beschäftigen und bestens auskennen.
Schwierig ist es nach meiner Einschätzung immer dann, wenn zu viele Aufgaben auf einzelnen Personen lasten. Hier wird es dann problematisch, den Überblick zu behalten. Das gilt insbesondere beim Betrieb von Aufzugsanlagen. Auch Aufzugshersteller und Wartungsunternehmen tun sich an dieser Stelle mitunter schwer, wenn es um die Umsetzung der Vorschriften geht. Aus diesem Grund haben die ZÜSen eine Initiative gestartet, um verstärkt in Richtung Betreiber, Hersteller- und Wartungsfirmen, aber auch auf Behörden zu kommunizieren, um so unliebsame Überraschungen zu vermeiden.
Das Interview führte Ulrike Lotze.
Zur Person: Dipl.-Ing. Dieter Roas ist Vorsitzender des Erfahrungsaustauschkreises der Zugelassenen Überwachungsstellen (EK ZÜS) und Vertreter der ZÜSen im Ausschuss für Betriebssicherheit (ABS), einem Beratergremium des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales.
Kommentar schreiben