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Aktuelles | Dezember 2024
Erste "Benannte Stelle" für Maschinenverordnung
TÜV Süd ist als weltweit erste Benannte Stelle auf der europäischen NANDO-Website für die neue Maschinenverordnung anerkannt und gelistet.
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September 2021
"Die Zeit von der Notrufabgabe bis zum Eintreffen des Hilfeleistenden an der Anlage soll eine halbe Stunde nicht überschreiten", heißt es aktuell in der TRBS 3121. Woher kommt diese ominöse halbe Stunde und ist diese noch zeitgemäß?
Ein Kommentar von Lars Lindert
Historisch betrachtet musste ein selbstfahrender Aufzug, der von Personen benutzt werden kann, mindestens seit 1926 eine Notrufeinrichtung besitzen. Diese Notrufeinrichtung war meist eine Klingel oder Hupe in der Haupthaltestelle. Sie wurde dann von irgendjemandem gehört, der daraufhin den Aufzugswärter informierte.
Bis dahin gab es noch keine Zeitvorgabe. Mit Einzug der Elektronik in den 1980er Jahren kamen auch die ersten Fernnotrufsysteme für Aufzüge auf den Markt. Sie machten die permanente Verfügbarkeit eines Aufzugswärters in der Nähe der Aufzugsanlage überflüssig. Ein empfangener Notruf in einer Notrufzentrale wurde von dort an die Wartungsfirma meist telefonisch weitergegeben.
Diese technische Entwicklung machte es dann notwendig, den Fernnotruf technisch und organisatorisch zu regeln. Der Deutsche Aufzugausschuss (DAA) – Vorgänger der Arbeitsgruppe Aufzüge im Ausschuss für Betriebssicherheit – erarbeitete daraufhin die TRA 106, die im März 1990 veröffentlicht wurde. Darin wurde die Zeitspanne zwischen Notruf und Eintreffen der Befreiungskräfte auf 30 Minuten festgelegt – und zwar ohne Ausnahme.
Wenn man sich nun drei Fakten aus der damaligen Zeit vor Augen führt und in Relation zu heute setzt, dann fällt folgendes auf:
1990 | 2021 | |
Anzahl Aufzugsanlagen zur Personenbeförderung (circa) x | 300.000 | 615.000 |
Anzahl Aufzüge mit Fernnotrufsystem | sehr wenige | alle |
Anzahl von Fahrzeugen auf deutschen Straßen | 36 Mio. | 66 Mio. |
X Nur Aufzugsanlagen zur Personenbeförderung
Jetzt muss man bei diesen Zahlen kein Verkehrsexperte sein, um zu erkennen, dass bei diesen Unterschieden die durchaus gewünschte halbe Stunde oftmals nicht einzuhalten sein wird. Hinzukommt, dass weder die alte TRA noch die TRBS Ausnahmen in Bezug auf Stau, Umwelteinflüsse und weite Entfernungen in ländlichen Gebieten etc. kannte.
Da verwundert es schon, dass bei der letzten Änderung der TRBS die Experten nicht den Inhalt der europäischen Norm übernommen haben, in der es sinnvoller Weise und realitätsnäher heißt: "Nach der Empfangsbestätigung des Notrufs sollte die Zeit bis zum Einsatz vor Ort so kurz wie möglich sein, d. h. nicht länger als 1 h unter Normalbedingungen, z. B. ohne Verkehrsstau, keine widrigen Wetterbedingungen usw."
Wen verwundert es jetzt noch, dass die Notrufzentralen so oft alternativ die Feuerwehr alarmieren müssen – nur damit die Betreiber rechtssicher sind und nicht Gefahr laufen, Ordnungsgelder zu kassieren und dabei stark beschädigte Aufzüge reparieren lassen zu müssen? Und warum das alles? Weil die Experten in den Arbeitsgruppen die halbe Stunde seit über dreißig Jahren nicht der Realität angepasst haben.
Der Autor ist Head of Elevator-FM and Lifecycle Management bei Simplifa und Mitglied im Beirat des LIFTjournals.
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