"Wir sind seit über einem Jahr im Krisenmodus"
Die Verschiebung der interlift hat für großes Aufsehen gesorgt. Das LIFTjournal hat dazu mit Henning Könicke, dem Geschäftsführer des Veranstalters AFAG, über die Hintergründe und die Reaktionen aus der Branche gesprochen.
Was hat Sie letztlich zur Verschiebung der interlift veranlasst – Sie hatten doch ein ausgefeiltes und genehmigtes Hygienekonzept und haben sich auch auf politischer Ebene sehr stark für eine Öffnungsstrategie speziell für die Messen eingesetzt?
Könicke: Wenn man die organisatorischen Rahmenbedingungen ansieht, wären wir gut auf eine interlift in diesem Jahr vorbereitet gewesen: Wir haben ein erprobtes Hygienekonzept und auch rein konzeptionell wäre die interlift bereit gewesen. Allerdings fehlt etwas ganz Grundlegendes: Die Öffnungsperspektive! Aktuell ist nicht abzusehen, ab wann Messen wieder erlaubt sind, es könnte Juni sein, aber auch September ist möglich. Seitens der Politik stehen wir da im Dunkeln.
Die Aussteller der interlift zeigen großen Einsatz und stecken viel Energie in die Vorbereitung ihrer Messepräsentationen, im Gegenzug benötigen sie allerdings Planungssicherheit und eine gewisse Vorbereitungszeit, gerade im internationalen Kontext. Aussteller aus dem Ausland kritisieren hierbei vor allem die unklare langfristige Zielsetzung unserer Bundesregierung. Der Termin im Frühjahr 2022 gibt uns nun allen mehr Sicherheit und mehr Vorlauf.
Foto: © AFAG Wie waren die Reaktionen von den Ausstellern im In- und Ausland auf die Entscheidung?
Könicke: Die Entscheidung zur Verschiebung der interlift haben wir gemeinsam mit unserem fachlichen Träger VFA Interlift e.V. getroffen. Vielfach haben sich Aussteller und auch Besucher einen späteren Termin für die nächste interlift gewünscht, da ihnen das mehr Planungssicherheit gibt. Nun ist die Erleichterung über einen langfristigeren Planungshorizont groß.
Wie groß sind die wirtschaftlichen Auswirkungen der vielen Absagen und Verschiebungen für die AFAG?
Könicke: Die Coronakrise hat die gesamte Wirtschaft hart getroffen, die Messebranche leidet besonders, schließlich haben wir seit über einem Jahr Stillstand. Auch wir mussten Veranstaltungen absagen oder verschieben. Für unsere Mitarbeiter haben wir trotzdem lange versucht, den Normalzustand aufrecht zu erhalten. Trotz einiger messefremder Aufträge sind und bleiben wir natürlich Messe-Menschen. Daher sind wir grundsätzlich optimistisch, dass es mit dem Messeneustart wieder aufwärts geht und wir einen wichtigen Beitrag für die Gesamtwirtschaft leisten.
Sie engagieren sich nicht nur für die AFAG, sondern insgesamt für die Messebranche – u.a. als Vorsitzender des Fachverbands Messen und Ausstellungen e.V. (FAMA). Wie haben Sie das vergangene Jahr erlebt?
Könicke: Das vergangene Jahr war für die gesamte Branche eine extreme Herausforderung, nicht nur für uns als Messeveranstalter. Da hängt ja noch viel mehr dran: Im Hintergrund fiebern Aussteller, Messebauer und Servicepartner auf den Messe-Neustart hin, aber auch abseits davon leben in vielen Städten die Hotellerie und die Gastronomie von einer laufenden Messewirtschaft.
Im FAMA sind viele kleine und mittlere Messeveranstalter und Dienstleister organisiert, die die Krise auch persönlich getroffen hat. Allerdings sind gerade in diesen Unternehmen die Zuversicht und der Optimismus ungebrochen.
Auch für mich persönlich war es ein sehr herausforderndes Jahr: Obwohl wir zum Messestillstand gezwungen waren, hatten wir viel zu tun. Wir sind seit über einem Jahr im Krisenmodus, das bedeutet, dass wir intensive Gespräche mit Partnern, Verbänden und der Politik führen, damit der Neustart der Messebranche möglichst bald gelingen kann. Wir alle freuen uns schon sehr, wenn es endlich wieder losgehen kann.
Foto: © AFAG Wie werden die Messen der Zukunft aussehen? Behalten sie ihre Bedeutung?
Könicke: Zu Beginn der Coronakrise haben viele Unternehmen die Vorzüge der Digitalisierung ausprobiert. Ich denke, einige Prozesse werden digital bleiben und das ist auch gut so. Allerdings haben wir auch alle gemerkt, wie sehr wir persönliche Kontakte und Gespräche vermissen. Das gilt im Privaten, aber eben auch im Beruflichen. Vor allem, wenn es um Beratungen und Investitionen geht, sind Messen unerlässlich! Genau wie unsere Aussteller und Besucher freuen wir uns daher wieder auf das Live-Event Messe.
Weitere Informationen: Der 33-Jährige Henning Könicke ist seit Anfang 2017 gemeinsam mit seinem Cousin Thilo Könicke Geschäftsführender Gesellschafter des interlift-Veranstalters, der AFAG Messen und Ausstellungen GmbH. Seit diesem Jahr ist der Wirtschaftswissenschaftler ehrenamtlicher Geschäftsführender Vorsitzender des FAMA.
www.interlift.de
www.afag.com
www.fama.de
Kommentar schreiben