Was ist bei Wittur los?
Im Frühjahr sorgte ein Artikel in der deutschen Zeitschrift "Finance" für Aufsehen in der Aufzugbranche. "Bei Wittur ist es fünf vor zwölf: Moody’s hat das Rating des Aufzugteilezulieferers um zwei Stufen von Caa1 auf Caa3 herabgestuft“, hieß es. Dann gab es die nächste Schlagzeile.
Vor einigen Wochen wurde dann bekannt, dass Bain Capital das Eigentum des deutschen Herstellers Wittur an die Kreditabteilung von KKR übertragen hat. LIFTjournal befragte Tom Stephenson, CEO von Wittur, zu diesem Thema.
Zunächst hatte Bain Capital die Wittur-Gruppe übernommen, und nun ist KKR mit Sitz in New York hinzugekommen. Ist Bain Capital also raus und jetzt KKR im Spiel?
Stephenson: Nach Abschluss des Deals wird KKR zum Hauptaktionär und Bain Capital behält eine Minderheitsbeteiligung an dem Unternehmen.
Vor einigen Monaten wurde Wittur von Moody's um zwei Stufen von Caa1 auf Caa3 herabgestuft ... Was ist eigentlich bei Wittur los?
Stephenson: Lassen Sie mich dazu ein paar Hintergrundinformationen geben. In den letzten sechs Monaten haben wir uns darauf konzentriert, eine Rekapitalisierung sicherzustellen. Die Wittur-Gruppe war mit rund 900 Millionen Euro verschuldet. Dieser Schuldenstand war in ruhigem Fahrwasser völlig in Ordnung – doch dann sind wir in einen Sturm geraten.
Tom Stephenson, CEO von Wittur. Foto: © WitturZwei Dinge haben sich geändert: Erstens ist die chinesische Bauwirtschaft enorm geschrumpft, was sich in allen Berichten der multinationalen Aufzugunternehmen widerspiegelt. Da wir ein multinationaler Zulieferer sind, sind unsere Einnahmen aufgrund dieser Marktveränderung erheblich zurückgegangen. Das zweite Problem ist der deutliche Anstieg der Zinssätze. In den letzten neun Monaten sind die Zinssätze von 0 auf etwa 3,5 Prozent gestiegen. Das macht einen großen Unterschied, wenn man 900 Millionen Euro Schulden hat. Infolgedessen haben Moody's und andere Rating-Agenturen unsere Bonds herabgestuft.
Das aktuelle Rating kam vor der Rekapitalisierung zustande. Doch wie die Rekapitalisierung gezeigt hat, unterstützen alle unsere Kreditgeber und Anteilseigner das Unternehmen sehr. Wir gehen davon aus, dass wir nach Abschluss der Rekapitalisierung neu eingestuft werden.
Die Rekapitalisierung der Bilanz steht kurz vor dem Abschluss. Wir haben etwa 900 Millionen Euro Schulden, und wenn die Rekapitalisierung etwa im vierten Quartal 2023 abgeschlossen sein wird, werden wir ungefähr 400 Millionen Euro Schulden haben – das ist ein Schuldenabbau von 500 Millionen Euro, was für das Unternehmen fantastisch ist.
Was sind die Folgen und welche Zukunftsperspektiven eröffnen sich damit für Wittur?
Stephenson: Wittur wird mit einer der stärksten Bilanzen der Branche dastehen. Das ist eine wirklich gute Nachricht für das Unternehmen, für unsere Kunden und für unsere Zulieferer. KKR wird zum alleinigen Anteilseigner und wandelt so Schulden in Eigenkapital um. Wir haben großes Glück, denn KKR ist ein extrem großes und hochentwickeltes Finanzinvestmenthaus – ähnlich wie Bain Capital. Sie bringen enormes Fachwissen und eine ebenso große Finanzkraft mit.
CEO Tom Stephenson (2.v.l.) bei einer Veranstaltung von Wittur Slowakei. Foto: © WitturWir haben mit Bain Capital einen starken Finanzträger an unserer Seite gehabt und haben nun in KKR einen neuen starken Partner gefunden. Die übrigen 250 Millionen Euro an First-Lien-Schulden wurden aus der Bilanz herausgenommen und oberhalb der Ebene der Unternehmensgruppe wieder eingesetzt, wobei ihre Laufzeit um zwei Jahre verlängert wurde.
Aus der Perspektive von Wittur haben wir zwar den Eigentümer gewechselt, aber wir sind von einem starken Eigentümer zu einem anderen übergegangen. Letztendlich werden wir eine der stärksten Bilanzen der Branche aufweisen. Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie sehr ich mich darüber freue! Denn es handelt sich um eine so grundlegend positive Veränderung, die uns in eine wirklich starke Position versetzt, um das Geschäft weiter auszubauen.
Können Sie uns mehr zur Rekapitalisierung der Bilanz sagen? Welche Ziele verfolgt KKR mit Wittur? Was sind die Gründe für die Übernahme?
Stephenson: Sie wollen eine gute Kapitalrendite (RoI) erzielen. Das Ziel besteht also darin, die Bilanz eines guten Unternehmens zu stabilisieren und ein anhaltendes rentables Wachstum zu ermöglichen. Aus strategischer Sicht unterstützen sie die Strategie von Wittur, in der Branche voranzukommen und in allen Bereichen Marktanteile zu gewinnen. Dabei soll der Schwerpunkt auf Kundenorientierung, Product Leadership und Operational Excellence liegen. Dies ist eine Fortsetzung unserer derzeitigen Strategie – aber jetzt haben wir die Ressourcen, um schneller voranzukommen.
Wir haben einige fantastische neue Produkte, die wir auf der interlift vorstellen werden. Hinter den Kulissen haben wir weiter an unseren Produktplattformen und Fabriken gearbeitet und in unsere operativen Systeme und die Automatisierung investiert. Dank der Rekapitalisierung gehen diese Investitionen jetzt schneller voran, weil wir als Unternehmen vollständig finanziert sind.
Das Interview führten Ulrike Lotze und Bernd Lorenz.
Weitere Informationen: wittur.com
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