Eine gemeinsame Datensprache für die Immobilienbranche
Wo befinden sich Aufzüge in einer Immobilie, welche Flächen werden wie genutzt, wie viel Energie wird verbraucht? All das wird durch den digitalen Gebäudezwilling sichtbar, der für bislang ungeahnte Einblicke sorgt.
Von Rebekka Ruppel und Laura Bäumchen
Drei von fünf Unternehmen in der Automobilindustrie, der Luft- und Raumfahrt, im Life-Science-Bereich sowie der Energie- und Versorgungswirtschaft setzen digitale Zwillinge ein. Das hat das Capgemini Research Institute im Rahmen einer aktuellen Studie ermittelt. Das Ziel der Unternehmen: operativ und in punkto Nachhaltigkeit Potenziale heben. Dass die Immobilienwirtschaft als großer Wirtschaftszweig in dieser Auflistung nicht vorkommt, verwundert nur auf den ersten Blick. Lange Zeit spielte Digitalisierung in der Branche eine untergeordnete Rolle. Doch der Wind hat sich gedreht.
Ohne digitale Technologien geht es auch in der Immobilienbranche nicht mehr, denn nur dadurch lässt sich Transparenz herstellen – das Kriterium schlechthin, um zukunftsgewandte Entscheidungen zu treffen und Immobilien inklusive all ihrer Bestandteile professionell managen zu können.
Eine der größten Herausforderungen stellt dabei die Kleinteiligkeit der Branche dar, etwa mit Blick auf sehr unterschiedliche Märkte und Player. Die Entscheidung für einen verstärkten Einsatz digitaler Zwillinge ist dabei so unausweichlich wie unzureichend. Gewiss, der digitale Zwilling als virtuelles Abbild einer Immobilie erlaubt bereits tiefere Einblicke, von der Flächennutzung bis hin zur technischen Ausstattung. Er ermöglicht Simulationen und bietet den verschiedenen Stakeholdern eine gemeinsame Arbeitsgrundlage – alle Daten befinden sich also an einem virtuellen Ort.
Gemeinsamer Standard als Antwort
Mit der Fragmentierung des Immobiliensektors ist bereits ein wichtiger Hemmschuh angedeutet: Informationen stammen aus diversen Quellen, werden nach unterschiedlichen Methodiken erhoben und liegen (wenn man etwa an grenzübergreifende Immobilienportfolios denkt) in verschiedenen Einheiten und Standards vor. Mit anderen Worten: Die Daten sind häufig nicht vergleich- oder verknüpfbar, Datensilos werden allzu häufig vom Analogen ins Digitale transferiert.
Dieses Phänomen ist keineswegs auf die Immobilienwirtschaft begrenzt – andere Branchen, etwa der Automobil- oder Gesundheitssektor, haben jedoch deutlich früher reagiert und entsprechende Datenstandards geschaffen. Diese leiten sich vom Konzept der Open Data Initiative von Microsoft ab. Die Idee ist, nationale und internationale Standards zu vereinen und eine einheitliche Datensprache und -semantik zu schaffen – ein sogenanntes Common Data Model (CDM).
Common Data Model for Real Estate
Davon inspiriert arbeitet die International Building Performance & Data Initiative (IBPDI) seit November 2020 an einem industriespezifischen CDM for Real Estate. Initiiert von BuildingMinds, Microsoft, RICS und pom+ zählt die Initiative inzwischen bereits rund 70 Mitgliedsorganisationen aus allen Bereichen der Immobilienwirtschaft – unter anderem auch der Aufzughersteller Schindler.
Nun ist es nicht so, dass es hierzulande keine Standards gäbe – im Gegenteil: In Deutschland ist eine regelrechte "Standardisierungswut" zu beobachten. Doch weil Informationen in den Systemen von Immobilienunternehmen wie angedeutet kein standardisiertes Schema zugrunde liegt, können die Daten nicht miteinander kommunizieren. Außerdem waren es Unternehmen über lange Zeit nicht gewohnt, Informationen und Daten zu teilen.
Basis für Zusammenarbeit und Innovation
Die IBPDI erarbeitet innerhalb thematischer Themenbereiche verschiedene Segmente des CDM for Real Estate. Der Digital Building Twin bildet das zentrale Cluster. Um ihn herum gruppieren sich weitere Schwerpunkte (siehe Abbildung).
Die Ergebnisse werden regelmäßig als open source veröffentlicht – so geschehen bereits bei den Clustern Digital Building Twin (in denen auch die Aufzüge abgebildet werden) und Energy & Resources. Damit wird nicht nur die Basis für unternehmens- und systemübergreifende Datennutzung geschaffen, sondern auch der Einsatz fortgeschrittener Technologien wie Artificial Intelligence und Machine Learning auf immobilienwirtschaftliche Anwendungsfelder ermöglicht.
Die Autoren: Rebekka Ruppel ist CEO von pom+ Deutschland und Präsidentin der International Building Performance & Data Initiative (IBPDI). Laura Bäumchen ist Head of Business Development bei BuildingsMinds sowie Vize Präsidentin von IBPDI.
Weitere Informationen: ibpdi.org
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