Der Brexit und seine Folgen für die Aufzugsbranche
Seit dem 1. Januar 2021 ist Großbritannien kein Teil des EU-Binnenmarktes und der Zollunion mehr. Im Beitrag von Jan König geht es um die Folgen für die Aufzugsbranche.
Wer in der Aufzugsbranche dachte, dass mit dem Austritt des Vereinigten Königsreichs und der vor einigen Wochen erfolgten Zustimmung des EU-Parlaments zum Handels- und Kooperationsabkommen alles erledigt sei, sieht sich getäuscht: Vor allem für die Exporteure von Sicherheitsbauteilen nach Großbritannien kann es schwierig werden.
Zunächst muss unterschieden werden zwischen Großbritannien und dem Vereinigten Königreich, zu dem auch Nordirland gehört. Der nördliche Teil der irischen Insel ist weiterhin Teil des EU-Binnenmarktes, deshalb gelten dort alle relevanten EU-Vorschriften für das Inverkehrbringen von Produkten.
Komplizierter ist die Situation in Großbritannien. Zunächst einige gute Nachrichten: Die britische Umsetzung der Aufzugsrichtlinie, die UK Lift Regulations von 2016 ist annähernd identisch mit der 2014/33/EU. Das bedeutet, dass es keine wesentlichen Änderungen an den grundlegenden Gesundheitsschutz- und Sicherheitsanforderungen oder an den Anforderungen des Konformitätsverfahren gibt.
Die Britisch Standard Institution hat zudem eine Vereinbarung mit dem Comité Européen de Normalisation (CEN) unterschrieben, um CEN-Partner zu bleiben, alle Normen der Reihe EN 81 bleiben erhalten. Kleiner Tipp am Rande: Technische Dokumentationen und bestehende Marktzulassungen sollten keine nationalen Bezeichnungen wie DIN EN 81 mehr enthalten, da nur die europäische Bezeichnung EN 81 akzeptiert wird.
Probleme bei Sicherheitskomponenten
Kommen wir zu den Benannten Stellen – die in Großbritannien Approved Bodys heißen – und damit zu den Problemen bei den Sicherheitsbauteilen. Sie dürfen noch bis Jahresende auf den britischen Markt gebracht werden, wenn sie von einer Benannten Stelle in der EU zugelassen sind und das CE-Zeichen tragen. Ab dem kommenden Jahr ist das nicht mehr möglich, die Verwendung des UKCA-Zeichens wird dann Pflicht, eine in Großbritannien zugelassene Stelle für die Konformitätsbewertung (Approved Body) ist ab 2022 erforderlich.
Foto: © Habib Ayoade / unsplashDas heißt: Damit haben Lieferanten/Montagebetriebe von Aufzügen und Hersteller von Sicherheitskomponenten jetzt nur noch weniger als sieben Monate Zeit, ihre Zertifizierung auf eine UK Approved Body zu übertragen.
Der Europäische Aufzugsverband ELA geht davon aus, dass das Problem bei den Sicherheitsbauteilen am größten sein wird, da es sich um eine große Anzahl handelt – geschätzt mindestens 1000 verschiedene Typen. Das Problem: Es gibt im Moment nur fünf Stellen, die Aufzüge komplett zulassen können und nur einen einzigen UK Approved Body, der Sicherheitsbauteile zertifizieren kann – die BSI Assurance UK.
Zulassung: ein umfangreicher Prozess
Eigentlich hatte man erwartet, dass es unkompliziert werden würde, die in der EU gültigen Zertifikate umzuschreiben. Doch inzwischen gibt es belastbare Informationen, dass die Zulassung von Sicherheitsbauteilen in Großbritannien ein ähnlich umfangreicher Prozess ist, wie eine Neuzulassung in der EU – alle Unterlagen werden komplett hinterfragt und Prüfungen müssen neu durchgeführt werden.
Zwar haben auch inzwischen Benannte Stellen aus der EU ihre Zulassung in Großbritannien beantragt, doch scheint dieser Prozess zwischen acht und zwölf Monaten zu dauern. Deshalb sollte jedes Unternehmen, das den britischen Markt beliefert, mit seiner bisherigen Benannten Stelle Kontakt aufnehmen und fragen, wie es dort aussieht.
Für seine Mitglieder hat der VFA ein umfangreiches Schreiben zum Brexit erstellt und auch bei der letzten Sitzung des VFA-Arbeitskreis Normen informiert. Außerdem gibt es eine Website von der EU, die dazu informiert und eine EU-weite Telefonnummer in allen EU-Landessprachen (00 800 678 910 11). Leitlinien zum Inverkehrbringen von Industriegütern gibt es auch auf einer Website der britischen Regierung.
Von Jan König
Der Autor ist Technischer Referent des VFA-Interlift.
Weitere Informationen (1): EU-Website: https://europa.eu/european-union/contact_de
Website der britischen Regierung: www.gov.uk/guidance/placing-manufactured-goods-on-the-market-in-great-britain
Export von der EU nach GB: www.gov.uk/import-goods-into-uk
Import von GB in die EU: https://www.gov.uk/export-goods
Weitere Informationen (2): Ab dem 1. Januar 2022 müssen Hersteller von Sicherheitsbauteilen nach der oben beschriebenen Zulassung in Großbritannien eine GB-Konformitätserklärung zum Inverkehrbringen erstellen sowie eine englischsprachige Betriebsanleitung mit dem Produkt liefern.
Bereits jetzt ist es nötig, dass entweder auf dem Produkt oder einem Begleitdokument Name und Adresse einer juristischen Person mit Sitz im Vereinigten Königreich angegeben werden, an die sich die Marktüberwachungsbehörden wenden können.
Weitere Informationen (3): Rund 100 Tage nach dem Brexit verspürten die meisten Unternehmen negativere Auswirkungen des Brexits, als von ihnen noch zu Jahresbeginn befürchtet. Das zeigt eine aktuelle Umfrage von KPMG und der British Chamber of Commerce in Germany (BCCG) unter 93 Mitgliedsfirmen der BCCG.
80 Prozent dieser Unternehmen haben ihren Sitz in Deutschland, die übrigen im Vereinigten Königreich. Als Ergebnis daraus ziehen die Unternehmen erste Konsequenzen. So hat sich eines von sechs befragten Unternehmen entschieden, den Außenhandel mit UK ganz einzustellen.
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