Arbeitsschutz in Zeiten der Digitalisierung
Bei überwachungsbedürftigen Anlagen wie Aufzügen ersetzen oder ergänzen digitale, softwarebasierte Sicherheitsfunktionen zunehmend mechanische Schutzeinrichtungen.
Das birgt neue Risiken, die sich auf die Arbeitssicherheit von Prüfern und Monteuren auswirken können. TÜV Süd informiert, wie sich diese reduzieren lassen.
Speicherprogrammierbare Sicherheitssteuerungen sind gegenüber konventionellen Sicherheitsbauteilen wie mechanischen Fangauslösungen oder Schutzschaltern günstiger im Betrieb und in der Instandhaltung. Weitere Vorteile: Funktionsgenerierende Software verschleißt oder korrodiert nicht und lässt sich zudem vernetzen. Das ermöglicht Fernwartung, Zustandsüberwachung und „Predictive Maintenance“.
Nachteil von Software-Lösungen gegenüber physischen Komponenten ist, dass sich Sicherheitskreisläufe schwieriger nachvollziehen und prüfen lassen. Ist die Schutzeinrichtung tatsächlich vorhanden und nicht nur funktionsbereit, sondern wirkt sie auch wie beabsichtigt? Dafür müssen die Prüfer die gesamte Sicherheitskette auslösen oder systemunabhängige Mess-Systeme heranziehen – es reicht nicht, sich auf die „grüne LED“ der Steuerung zu verlassen, dass alles in Ordnung ist.
Prüfung und Wartung von Aufzugsanlagen
Foto: © TÜV SüdViele moderne Aufzüge sind mit einer elektronischen Schachtkopierung ausgestattet. Das bedeutet u. a., die Position der Schachttüren und aller Schalter sind in der speicherprogrammierbaren Steuerung (SPS) durch entsprechende Parameter erfasst. Ein Software-Update kann diese unbeabsichtigt auf Werkseinstellungen zurücksetzen.
So kann z. B. fälschlicherweise die Schachtposition des softwarebasierten Inspektionsendschalters mit der des mechanischen Endschalters vertauscht werden. Dann besteht das Risiko, dass bei einer wiederkehrenden Prüfung Sachverständige im Fahrkorb bzw. auf dem Fahrkorbdach eingeschlossen werden – das gilt auch für Monteure bei der Wartung. Vor der wiederkehrenden Prüfung und der Wartung sollte man sichergehen, dass die Anlagenparameter korrekt erfasst sind, bzw. den Softwarestand überprüfen.
Weitere Gefahren sind Quetschungen oder gar Abstürze in den Aufzugsschacht. Vielfach überwacht eine elektronische Sicherheitsfunktion, dass sich der Fahrkorb bei geöffneten Türen nicht unbeabsichtigt wegbewegt (UCMP – Unintended Car Movement Prevention). Diese Sicherheitsfunktion löst keine Bremse aus, wenn die mechanische Aktorik verschlissen ist. Elektronische Steuerungen verfügen zwar über eine Funktion zur Eigendiagnose, sie erfasst aber keine physischen Mängel an auslösenden Regler-Elementen.
Prüfmittel und -methoden
Die Sachverständigen bei TÜV Süd prüfen u. a. nach der Technischen Regel für die Betriebssicherheit von Aufzügen (TRBS 1201-4) und berücksichtigen dabei die zunehmende Relevanz der Funktionalen Sicherheit und künftig auch der IT-Sicherheit.
Wichtig ist das vor allem zur Feststellung und Bewertung der Wirksamkeit von PESSRAL (Programmierbare elektronische Systeme für elektrische Sicherheitseinrichtungen für Aufzüge) durch Auslösung des Sicherheitskreises und die Prüfung des CRC-Codes, ob die vorgefundene Softwareversion für die Hardware-Konfiguration qualifiziert und zugelassen ist.
Die Prüfung vor Ort erleichtern Assistenzsysteme wie die mobile TÜV Süd Inspection App. Sie führt den Sachverständigen durch die Prüfung und entlastet ihn bei Routineaufgaben wie der Dokumentation. Der Betreiber bekommt zudem mit einem „Knopfdruck“ seinen Bericht und kann dadurch Zeit sparen.
Elektronisches Aufzugsmessverfahren
Foto: © TÜV SüdEin weiteres System ist das elektronische Aufzugsmessverfahren „Adiasystem“ von TÜV Süd. Damit lässt sich die Wirksamkeit der Treibfähigkeit und der Fangvorrichtung von Aufzügen prüfen. Ein intelligentes nicht-invasives Mess-System mit elektronischen Sensoren erfasst und berechnet sicherheitsrelevante Kenndaten direkt am Aufzug.
Das System eignet sich für fast alle Treibscheiben- und Hydraulikaufzüge und ersetzt zeit- und kostenintensive Lastprüfungen. Das verlängert nicht nur die Lebensdauer wichtiger Bauteile, sondern verkürzt auch die Ausfallzeiten der Aufzugsanlage.
Von Dr. Rolf Zöllner
Der Autor ist Leiter des Business Development im Geschäftsfeld Fördertechnik, TÜV Süd Industrie Service GmbH
Weitere Informationen: tuvsud.com/aufzuege
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