Absturzgefahr bei Arbeiten an Aufzugsanlagen
Arbeiten an Aufzügen werden häufig in einer Höhe von mehr als einem Meter durchgeführt. Ab einer Arbeitshöhe von mehr als 100 cm besteht bei einem Absturz die Gefahr schwerer Verletzungen. Worauf muss der Arbeitgeber achten?
Von Udo Niggemeier
Wenn es um Absturzgefahren geht, muss der Arbeitgeber § 5 des Arbeitsschutzgesetzes und § 3 der DGUV Vorschrift 2 beachten. Im Rahmen einer Gefährdungsbeurteilung muss er geeignete Maßnahmen zum Schutz seiner Beschäftigten festlegen. Bei der Auswahl der Maßnahmen sollte er das STOP-Prinzip anwenden. S-T-O-P steht für Substitution, Technisch, Organisatorisch, Personenbezogen.
Was bedeutet das für zum Beispiel den Arbeitsplatz Kabinendach? Das "S" steht für Substitution. Das Prinzip besagt, dass gefährliche Stoffe, wenn möglich, durch andere Mittel ersetzt werden sollen, bevor weitere Schutzmaßnahmen ergriffen werden. Eine S-Maßnahme ist, wenn bereits bei der Konstruktion darauf geachtet wird, dass es keine Spalten gibt, die größer als 30 x 50 cm sind. Eine Absturzgefahr ist dann ausgeschlossen und weitere Maßnahmen sind nicht erforderlich.
Eine T-Maßnahme ist das Vorhandensein eines Geländers gegen Absturz. Grundsätzlich bieten nur Geländer mit einer Höhe von 100 cm bzw. 110 cm bei großen Abständen, dreiteiligem Aufbau und ausreichender Stabilität einen ausreichenden Schutz. Teilweise sind in der EN-Normenreihe auch Geländer mit einer Höhe von 70 cm zugelassen. Dabei handelt es sich jedoch um eine Umwehrung und nicht um eine echte Absturzsicherung.
Besondere Schutzmaßnahmen treffen
Foto: © THOR Industriemontagen GmbH & Co. KGSolange man sich im Bereich der Umwehrung aufhält und keine äußeren Kräfte auf den Körper einwirken, ist die Absturzgefahr auf ein akzeptables Maß reduziert. Sobald man sich jedoch über das Geländer beugt oder Maschinen (Akkuschrauber, Bohrmaschine) mit Rückstoßkräften benutzt, steigt das Risiko deutlich an und es müssen weitere Schutzmaßnahmen ergriffen werden.
Eine O-Maßnahme ist nicht direkt möglich. Der Arbeitgeber sollte jedoch im Vorfeld klären, ob die Beschäftigten körperlich und geistig in der Lage sind, die ihnen übertragenen Aufgaben zu erfüllen. Personen mit z.B. starker Höhenangst, Schwindel etc. sind für Arbeiten mit Absturzgefahr sicher nicht geeignet oder es müssen besondere Schutzmaßnahmen getroffen werden.
Regelmäßige Schulungen
P-Maßnahmen sind das letzte Mittel bei Arbeiten mit Absturzgefahr, bergen aber oft selbst große Gefahren in sich. Bei Persönlicher Schutzausrüstung gegen Absturz (PSAgA) wird der Absturz erst ab einer Absturzhöhe von ca. 500 cm sicher aufgefangen. Danach muss eine Rettung des Verunfallten gewährleistet sein, da sonst die große Gefahr eines Hängetraumas besteht.
Daraus ergibt sich, dass ein alleiniges Arbeiten hier nicht möglich ist. Vorteilhaft ist eine PSAgA als Rückhaltesystem, da diese den Absturz verhindern kann und somit ein Alleinarbeiten ermöglicht.
Grundsätzlich müssen die Mitarbeiter im Umgang mit der PSAgA regelmäßig geschult werden. Die PSA-Benutzungsverordnung fordert hier eine theoretische und praktische Unterweisung. Außerdem muss die PSAgA mindestens einmal jährlich durch einen Sachkundigen geprüft werden.
Sicherer Anschlagpunkt
Foto: © THOR Industriemontagen GmbH & Co. KGAlle PSA gegen Absturz haben eines gemeinsam: Sie benötigen einen sicheren Anschlagpunkt. Einige Aufzugsfirmen haben Anschlagpunkte auf dem Kabinendach gekennzeichnet, was im Bereich der Wartung und Instandhaltung sicher eine gute Lösung ist.
Bei bestehenden Anlagen lassen sich in der Regel geeignete Anschlagpunkte finden. Bei Neubauten oder größeren Modernisierungen kann es jedoch erforderlich sein, dass die Anschlagpunkte vor der Montage erst geschaffen werden müssen. Hier hat sich das sogenannte LifeLine-System bewährt. Dabei handelt es sich um ein Seil, das in der Schachtkopfdecke verankert wird und durch den Schacht verläuft. An diesem kann man sich mit der eigenen PSA über zugelassene Anschlagmittel sicher einhängen.
Fazit: Absturzgefahr besteht bei vielen Arbeiten im Aufzugsbau! Wichtig ist, dass sie bereits im Vorfeld durch vernünftige konstruktive Maßnahmen beseitigt werden. Ist das nicht möglich (zum Beispiel bei Altanlagen), sind weitere Schutzmaßnahmen notwendig. Die Mitarbeiter müssen über die Gefährdungen unterwiesen werden, der Arbeitgeber muss – falls nötig – eine geeignete PSA zur Verfügung stellen und die Mitarbeiter müssen in der richtigen Anwendung unterwiesen werden.
Der Autor ist Geschäftsführer der ASIB-Niggemeier und erster Vorsitzender der Vereinigung mittelständischer Aufzugsunternehmen e. V. (VmA).
Arbeiten auf Leitern: Bei Arbeiten an Aufzügen werden häufig Leitern verwendet. Gerade hier besteht immer eine Absturzgefahr. Der Gesetzgeber hat in der TRBS 2121 Teil 2 klare Vorgaben gemacht. Obwohl die Technische Regel bereits im Dezember 2018 veröffentlicht wurde, scheint es bei der Umsetzung im Aufzugsbau noch erheblichen Nachholbedarf zu geben.
Leitern mit Sprossen dürfen nur noch als Verkehrsweg (z. B. zum Einstieg in die Schachtgrube) genutzt werden. Arbeiten auf Leitern sind nur dann zulässig, wenn die Leitern für den Arbeitsbereich eine Auftritt-Tiefe von mindestens 80 mm haben und bei einer Standhöhe von 200-500 cm zwei Stunden je Arbeitsschicht nicht überschritten werden.
Sofern von den Regeln abgewichen wird, empfiehlt es sich dringend, dies im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung zu dokumentieren. Außerdem müssen Arbeitssicherheitsmaßnahmen festgelegt werden, die das Risiko auf ein akzeptables Maß senken.
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