VDI 2566 oder DIN 4150 als Bewertungsgrundlage?
Die Frage ob die VDI 2566 oder die DIN 4150 als Bewertungsgrundlage bei der Übertragung von Körperschall / Schwingungen im Baukörper herangezogen werden soll, ...
...wird in der Regel zu Gunsten der DIN 4150 "Erschütterungen im Bauwesen entschieden". In der DIN 4150 gibt es Bezugswerte welche Schwingbeschleunigungen auf den Menschen und auf das Gebäude einwirken dürfen.
Laut § 3 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (3) sind Emissionen im Sinne des Gesetzes Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlen und ähnliche Erscheinungen die von einer Anlage ausgehen.
Thema Erschütterungen
Aufzuganlagen emittieren Geräusche und Erschütterungen (Körperschall / Schwingungen) in Gebäude. Die DIN 4150 Erschütterungen im Bauwesen Teil 2 "Einwirkungen auf den Menschen in Gebäuden" und der Teil 3 "Einwirkungen auf bauliche Anlagen" befassen sich mit dem Thema Erschütterungen bzw. "mechanische Schwingungen fester Körper mit potentiell belästigender Wirkung für den Menschen oder schädigender Wirkung auf bauliche Anlagen".
In den Teilen 2 und 3 werden Schwinggeschwindigkeiten [mm/s] für verschiedene Gebäudearten als Anhaltswerte beschrieben. Es wird unterschieden zwischen gewerblich genutzten Bauten, Wohngebäuden und Bauten, die besonders erschütterungsempfindlich sind wie z.B. Gebäude, die unter Denkmalschutz stehen.
Körperschallwerte als Prüfkriterium herangezogen
In der aktuellen VDI 2566 Blatt 1 und Blatt 2 "Schallschutz bei Aufzugsanlagen" hingegen werden maximale Körperschallpegel vorgegeben, ohne einen Bezug auf das Bauwerk bzw. auf Art und Nutzung des Gebäudes.
Ein weiterer Unterschied zwischen der DIN 4150 und VDI 2566 liegt darin, dass die Körperschallpegel in der VDI 2566 mehr oder weniger auf "Erfahrungswerten / Annahmen" beruhen und nicht auf fundierten, messtechnisch ermittelten Werten.
Ein weiterer Punkt ist, dass Schwinggeschwindigkeiten in der DIN 4150 Teil 2 und Teil 3 in einem Frequenzbereich von 1 Hz bis 100 Hz als maßgeblich zu prüfende Werte zur Beurteilung potentiell belästigender Wirkung auf den Menschen und Gebäude herangezogen werden. In der VDI 2566 hingegen werden Körperschallwerte im Frequenzbereich von 63 Hz bis 500 Hz als Prüfkriterium herangezogen.
Luftschall ist zu vernachlässigen
Bei Aufzuganlagen mit Synchronmotor ist der Luftschall in der Regel zu vernachlässigen, der Körperschall bzw. die Schwinggeschwindigkeit im Bereich niedriger Frequenzen ist der kritische Punkt. Das Schalldämm-Maß von Wänden ist bei niedrigen Frequenzen geringer als bei hohen Frequenzen was dazu führt, dass der übertragene Körperschall / Schwinggeschwindigkeit durch eine Aufzuganlage die Ursache für einen erhöhten Luftschall in schutzbedürftigen Räumen ist.
Durch Messungen auf Basis der DIN 4150 kann zuverlässig geklärt werden, ob eine Aufzuganlage tatsächlich die "störende" Schallquelle ist, oder ob das Bauwerk / Gebäude bzw. deren Wände ein zu geringes Schalldämm-Maß oder Schallbrücken aufweisen.
Nachvollziehbare Werte
Ein weiterer Vorteil der Messungen ist, dass geprüft wird, ob Grenzwerte für die Einwirkungen auf den Menschen in Gebäuden eingehalten werden. Messungen der Schwinggeschwindigkeit im Aufzugschacht (Schachtgrube, Schachtwand usw.) und im Gebäude (Treppenhaus, Wohnung, schutzbedürftige Räume usw.) liefern Werte, die nachvollziehbar sind und nicht auf Erfahrungswerten / Annahmen beruhen.
Die am Bauwerk auftretenden Erschütterungen können mit Weg-, Geschwindigkeits-, oder Beschleunigungsaufnehmern direkt erfasst werden. Die Beurteilung erfolgt auf Basis von Betragsmaximalwerten der Schwinggeschwindigkeit. Wenn es Vorgaben aus der DIN 4150 "Erschütterungen im Bauwesen" gibt, ist zu überlegen, ob diese Werte auch in die VDI 2566 einfließen sollten.
Was nutzt es dem Aufzugbauer / Montagebetrieb wenn in der VDI 2566 Blatt 2 ("Schallschutz bei Aufzuganlagen ohne Triebwerksraum") maximale Köperschallpegel angeben werden, es in der DIN 4150 Teil 2 aber Grenzwerte für maximal zulässige Schwingbeschleunigung [mm/s] gibt, die auf den Menschen einwirken dürfen?
Norm-Trittschallpegel lässt sich nicht immer messen
Auszug aus der VDI 2566 Blatt 2:2004-5: Bei Aufzugsanlagen ohne Triebwerksraum können aus Platzgründen keine Norm-Trittschallpegel gemessen werden, weil die Lagerkräfte der Anlage in der Regel über Tragelemente in relativ kleinen Nischen oder Konsolen auf die Wand übertragen werden.
Da ferner die Kopplungsbedingungen an den Einleitungsstellen der Lagerkräfte anders als bei Anlagen mit Triebwerksraum sind, sind die oben genannten Oktavbandpegel möglicherweise zu hoch. Es liegen aber bisher keine entsprechenden Erfahrungswerte vor. Deshalb kann nur annähernd anhand der Bauzeichnungen und der Bauausführung abgeschätzt werden, ob der bauliche Schallschutz ausreichend ist.
Messungen auf Basis der DIN 4150
Wenn aus "Platzgründen" keine Norm-Trittschallpegel gemessen werden können, dann bieten sich Messungen auf Basis der DIN 4150 an. In Tabelle B.1 der DIN 4150-3 wird für Wohngebäude und in ihrer Konstruktion und / oder Nutzung gleichwertige Bauten ein Wert von 5 mm/s für kurzzeitige Erschütterungen angegeben.
In wie weit die DIN 52221 ("Bauakustische Prüfungen – Körperschallmessungen bei haustechnischen Anlagen), die DIN 4150 Teil 2 und Teil 3 und die VDI 2566 Blatt 1 und Blatt 2 untereinander vergleichbar sind, muss auf Plausibilität geprüft werden.
Mit Blick auf die Überarbeitung der VDI 2566 sollten messtechnisch Werte für Körperschall / Schwinggeschwindigkeit ermittelt werden, um die Anforderungen aus der DIN 52221 und DIN 4150 zu erfüllen. Liegen belastbare und messtechnisch nachvollziehbare Messwerte vor, dann kann der Aufzugbauer oder Montagebetrieb eine Aufzuganlage entsprechend den Anforderungen projektieren. Außerdem ist es bei Vorliegen der entsprechenden Werte, die u.a. auf die Art des Gebäudes abgestimmt sind, möglich, eine sinnvolle und zielführende Ausschreibung und Abstimmung zwischen den Gewerken vorzunehmen.
Von Ulrich Nees, Aufzug – Systeme + Beratung
E-Mail: Ulrich.Nees@t-online.de
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