Die Preise für Baustoffe wie Stahl steigen derzeit exorbitant. Wie lange überhaupt noch Lieferungen kommen, kann keiner sagen. Für Aufzugsunternehmen stellt sich außerdem die Frage: Kann ich die gestiegenen Kosten an meinen Kunden weitergeben oder muss ich die Mehrkosten selbst zahlen? Zur Beantwortung dieser Frage kommt es vor allem darauf an, in welcher Phase sich der Vertrag befindet:
1. Laufende Bauverträge
Wurde der Vertrag bereits geschlossen und befindet sich aktuell in der Durchführungsphase, sind Unternehmen grundsätzlich an die vereinbarten Preise gebunden.
Sonderkündigungsrecht nach VOB/B: Etwas anderes könnte nur dann gelten, wenn in dem Vertrag eine wirksame Preisgleitklausel (siehe Infokasten) enthalten ist. Fehlt es daran, können Betriebe versuchen, mit dem Auftraggeber eine einvernehmliche Änderungsvereinbarung zu finden. Wurde in den Vertrag keine Preisgleitklausel, aber die VOB/B wirksam einbezogen, kann der Auftragnehmer unter Umständen von seinem Sonderkündigungsrecht nach § 6 Abs. 7 VOB/B Gebrauch machen. Hierfür muss es jedoch zu einer Unterbrechung oder Verzögerung der Leistungen von mindestens drei Monaten gekommen sein.
Achtung: Das Sonderkündigungsrecht des Auftragnehmers nach § 6 Abs. 7 VOB/B erfordert nicht, dass die Arbeiten bereits angefangen wurden. Vielmehr reicht es auch aus, dass sich der vertragliche Beginn um mehr als drei Monate verschiebt. Diese Frist gibt den Betrieben zugleich die Möglichkeit, Nachverhandlungen bei dem Materialpreise vorzunehmen (siehe unter "Höhere Gewalt"). Bei einem reinen BGB-Vertrag besteht ein solches Sonderkündigungsrecht jedoch nicht automatisch. In diesen Fällen muss es gesondert vereinbart worden sein.
Sonderfall "Höhere Gewalt": Eine Sonderkonstellation stellt die höhere Gewalt oder "Force Majeure" dar. Beispiel: Der Lieferant kann aufgrund von Marktstörungen, die er selbst nicht verschuldet hat, nicht liefern, und die Arbeiten des Auftragnehmers müssen deshalb pausieren. Nachdem die Arbeiten wieder aufgenommen wurden, kommt es zu erheblichen Preissteigerungen. Können Betriebe diese Materialpreiserhöhungen nun an ihre Kunden eins zu eins weitergeben?
Achtung: Das Verhältnis des Lieferanten zum Aufzugsunternehmen soll an dieser Stelle nicht weiter vertieft werden. Lieferanten haben sich in ihren AGB allerdings im Regelfall für solche Fälle abgesichert. Ob diese AGB-Klausel dann aber auch wirksam ist, muss in jedem Einzelfall gesondert geprüft werden.)
Foto: © mariok/123RF.comIm Verhältnis des Aufzugsunternehmens zum Kunden gelten in Fällen von Force Majeure folgende Grundsätze: Tritt ein Verzug und infolgedessen eine Preiserhöhung ein, die weder der auftraggebende Kunde noch der Auftragnehmer zu verschulden haben, muss der Auftraggeber bei einem BGB-Vertrag dem Auftragnehmer die Lohn- und Materialmehrkosten nicht ersetzen. Das Aufzugsunternehmen muss in diesen Fällen also entweder eine einvernehmliche Lösung mit dem Auftraggeber herbeiführen oder die gestiegenen Kosten selbst tragen (siehe Punkt 1).
Für Auftragnehmer existiert auch kein Kündigungsrecht wegen kurzfristiger erheblicher Preissteigerung. Eine Ausnahme kann allerdings bei Verträgen gelten, bei denen die VOB/B wirksam einbezogen wurde (siehe oben zu Punkt 1). Denn kommt es aufgrund der Lieferprobleme zu einer Verzögerung von mindestens drei Monaten, kann das Sonderkündigungsrecht gemäß § 6 Abs. 7 VOB/B greifen, inklusive der Möglichkeit, in Preisverhandlung mit dem Auftraggeber zu gehen.
Praxistipp: Da in der Praxis in der Regel nicht klar sein wird, wie lange die Lieferverzögerung dauert, sollten Aufzugsunternehmen unbedingt eine Behinderungsanzeige nach § 6 Abs. 1 VOB/B nachweislich an den Auftraggeber senden.
2. Zukünftige Angebote und Bauverträge
Für die Zukunft sollten sich Betriebe ihre Angebote und Verträge doppelt absichern. Sie sollten zum einen ihre Angebote stets zeitlich befristen und zum anderen sich Materialpreise von ihrem Lieferanten verbindlich zusichern lassen. Denn auch Lieferanten sind an Verträge gebunden, wenn sie sich kein Schlupfloch eingebaut haben. Achtung: Viele Lieferanten haben sich in ihren AGB ein Kündigungs- oder einseitiges Preisanpassungsrecht eingeräumt, nach denen sie bei unvorhergesehenen Umständen – wie etwa höherer Gewalt – einseitig die Preise erhören dürfen. Ob solche AGB-Klauseln wirksam sind, ist vom Einzelfall abhängig. Betriebe sollten sich im Zweifel Rechtsrat einholen.
Praxistipp: Betriebe sollten auch darauf achten, dass die Bindungsfrist in ihrem Angebot der Frist der Preise ihres Lieferanten entspricht. Wenn sich also der Lieferant sechs Wochen an die Preise bindet, sollte auch das Angebot für den Kunden nicht länger als sechs Wochen verbindlich sein.
"Angebot freibleibend": In der Praxis können sich Aufzugsfirmen noch weiter absichern, indem sie in ihrem Angebot den Zusatz "Angebot freibleibend" aufnehmen. Denn hiermit wird der eigentliche Vertragsschluss nach hinten verschoben, was Betrieben einen zusätzlichen Planungsspielraum verschaffen kann. Will der Betrieb den Vertrag dann zu seinen angebotenen Preisen abschließen, weil etwa keine relevante Preissteigerung erfolgt ist, kann er dies durch eine verbindliche Auftragsbestätigung tun.
Will der Betrieb hingegen den Vertrag nicht mehr oder nicht mehr zu den ursprünglichen Preisen abschließen, unterlässt er einfach die Auftragsbestätigung und lässt den Vertragsschluss platzen, da sein Angebot ja "freibleibend" war. Achtung: In jedem Fall muss der Kunde klar erkennen können, dass das Angebot freibleibend, also nicht verbindlich ist. Der Hinweis muss demnach im Angebot deutlich erkennbar sein!
Von Anna Rehfeldt LL.M
Die Autorin ist Rechtsanwältin und externe Datenschutzbeauftragte mit Sitz in Berlin.
ra-rehfeldt.de
Preisgleitklauseln
Foto: © Shivendu Shukla / UnsplashPreisgleitklauseln in Bezug auf die Materialkosten sind eine weitere Alternative, um sich abzusichern. Betriebe sollten dabei aber stets beachten, dass Preisgleitklauseln (auch Stoff- oder Materialpreisgleitklauseln genannt) von der Rechtsprechung sehr streng bewertet werden, vor allem dann, wenn eine solche Klausel gegenüber Verbrauchern verwendet wird. Praxistipp: In AGB sollte man Preisgleitklauseln nicht aufzunehmen! Wenn überhaupt, sollte man solche Vereinbarungen individuell mit dem Kunden aushandeln und vereinbaren. Denn in AGBs sind derartige Klauseln im Regelfall unwirksam.
Musterformulierungen
Betriebe können sich in ihren Angeboten und Bauverträgen beispielsweise an folgender Formulierung orientieren: "Ändern sich für das Bauvorhaben XYZ die Markt- oder Einkaufspreise der Materialien aus dem Angebot des Auftragnehmers vom tt.mm.jjjj zum Zeitpunkt der Ausführung um mehr als fünf Prozent, ändern sich die vertraglichen Materialpreise der jeweiligen Position entsprechend, vorausgesetzt, die Änderung ist nachweislich nicht auf Umstände zurückzuführen, die der Auftragnehmer einseitig zu vertreten hat. Das gilt für Erhöhungen und Senkungen gleichermaßen."
Soll eine Preisgleitklausel mit dem Ablauf der Bindungsfrist im Angebot des Auftragnehmers kombiniert werden, kann die folgende Formulierung als Orientierung dienen: "Die im Angebot vom tt.mm.jjjj benannten Preise zum Bauvorhaben XYZ sind Festpreise, sofern der Baubeginn/ Fertigstellung bis spätestens tt.mm.jjjj erfolgt.
Nach Ablauf der Frist gilt: Ändern sich für das Bauvorhaben XYZ die Markt- oder Einkaufspreise der Materialien aus dem Angebot des Auftragnehmers vom tt.mm.jjjj zum Zeitpunkt der Ausführung um mehr als fünf Prozent, ändern sich die vertraglichen Materialpreise der jeweiligen Position entsprechend, vorausgesetzt, die Änderung ist nachweislich nicht auf Umstände zurückzuführen, die der Auftragnehmer einseitig zu vertreten hat. Das gilt für Erhöhungen und Senkungen gleichermaßen."
Praxistipp
Betriebe sollten ihre Preisanpassung immer begründen und mit Nachweisen von ihren Lieferanten belegen können. Denn damit erreicht man eher eine Akzeptanz beim Auftraggeber als bei einer stillschweigenden Erhöhung.
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