Im Interview mit dem LIFTjournal erklärt er, was den türkischen Aufzugsmarkt ausmacht, wie sich das Erdbeben ausgewirkt hat und was die türkischen Aufzugsbauer von der politischen Führung in Ankara erwarten.
Wie ist der türkische Aufzugsmarkt strukturiert?
Targit: Die türkische Aufzugbranche unterscheidet sich von der in anderen Ländern. Der erste Unterschied: Der Großteil des türkischen Marktes wird nicht von multinationalen Unternehmen dominiert. Proportional gesehen, werden mehr Aufzüge von lokalen Unternehmen installiert.
Die Türkei ist einer der wichtigsten Akteure in der Komponentenherstellung. Die Produktionskapazität liegt weit über dem Bedarf des Landes. Auch beim Export sind die türkischen Komponentenhersteller sehr erfolgreich.
So hat die Aufzugbranche z. B. in den letzten drei Jahren einen Außenhandelsüberschuss erzielt, d. h. ihre Exporte sind höher als ihre Importe. Die Zahl der lokalen Unternehmen ist höher, als sie sein sollte. Hierdurch entsteht ein hartes Wettbewerbsumfeld. Bauunternehmen profitieren immer von solch einem harten Wettbewerb.
Wie hat sich der türkische Aufzugsmarkt in den letzten zehn Jahren in Bezug auf neue und bestehende Anlagen entwickelt?
Targit: In den letzten zehn Jahren hat die Zahl der Hochhäuser zugenommen, sodass die Geschwindigkeit der Aufzüge gestiegen ist. Lokale Unternehmen versuchen, mit dieser Entwicklung Schritt zu halten. Doch der Anteil der multinationalen Unternehmen hat zugenommen – vielleicht nicht so sehr in Bezug auf die Anzahl der Aufzüge, aber im Hinblick auf den Umsatz.
Seit 2012 werden die regelmäßigen Aufzugskontrollen gewissenhafter durchgeführt, dies hat wesentlich zu einem verbesserten Zustand der bestehenden Aufzüge beigetragen. Aus diesem Grund ist der Modernisierungsmarkt in den letzten zehn Jahren so stark gewachsen.
Der türkische Aufzugsmarkt 2022. Foto: © AYSADWo steht der türkische Aufzugsmarkt im Vergleich zu anderen Märkten in Europa?
Targit: Im Ranking der europäischen Märkte, bleibt der türkische Markt konstant unter den Top 3. Wie sich die Anzahl der neu installierten Aufzüge und die Produktion der Komponenten entwickelt haben, zeigt sich zum Beispiel im Export. Auch der Markt für Fahrtreppen ist in der Türkei in den letzten zehn Jahren stark gewachsen, da es in diesem Zeitraum einen Boom beim Bau von Einkaufszentren und U-Bahnen gab.
Welche türkischen Hersteller sind von internationaler Bedeutung?
Targit: Es wäre natürlich nicht richtig, wenn ich hier Namen nennen würde. Doch es gibt Hersteller von Antriebsmaschinen, Hersteller von elektronischen Steuerungen und natürlich auch Hersteller von Führungsschienen, die einen sehr großen Anteil am internationalen Markt haben und äußerst wettbewerbsfähig sind.
Die technischen Vorschriften der Türkei sind vollständig an das Regelwerk der Europäischen Union angeglichen worden, sodass es keinen rechtlichen Unterschied zwischen dem Verkauf von Waren in der Türkei und dem Verkauf von Waren in Europa und im europäischen Hinterland gibt. Selbstverständlich produzieren alle Hersteller von Sicherheitsbauteilen gemäß den Vorschriften der Europäischen Union. Auch hier gilt rechtlich gesehen, dass alle Hersteller in der Türkei auf internationale Gültigkeit achten. Das muss so sein.
Wie sieht es mit Modernisierungsmaßnahmen in Bezug auf Sicherheit, Energie und Barrierefreiheit in der Türkei aus?
Targit: Wie ich bereits bei der vorhergehenden Frage erwähnt habe, sind dank unserer Führung und unserer Bemühungen alle Vorschriften in der Türkei an die EU-Vorschriften angeglichen worden. Dieser Prozess begann 1995 und wurde 2004 abgeschlossen. Die EN 81-80 wurde gleichzeitig in der Türkei und in Europa veröffentlicht. Aufzüge in der Türkei müssen in Übereinstimmung mit der europäischen Aufzugrichtlinie gebaut werden, die Aufzugverordnung wurde parallel zu dieser Richtlinie erstellt, alle Prozesse sind die gleichen wie in der EU, ebenso wie alle grundlegenden Anforderungen. Bei den vom türkischen Normungsinstitut TSE veröffentlichten türkischen Normen handelt es sich ebenfalls um übersetzte Fassungen der EN-Normen.
Wir haben dafür gesorgt, dass sehr wichtige Artikel zur Barrierefreiheit in die baurechtlichen Bestimmungen aufgenommen wurden. Dabei haben wir außerdem mit Behindertenverbänden zusammengearbeitet. Was die Energie betrifft, so gibt es natürlich Fortschritte bei neuen Gebäuden. Allerdings kann ich nicht behaupten, dass es bei bestehenden Gebäuden ebenso große Fortschritte gibt. Im Hinblick auf die Sicherheit hat es sich als sehr vorteilhaft erwiesen, dass die regelmäßigen Kontrollen von Aufzügen sehr gewissenhaft durchgeführt werden und die Rechtsvorschriften zu diesem Thema durch ständige Überwachung der nationalen Gesetzgebung weiterentwickelt werden.
Foto: © Bernd Lorenz/LIFTjournalWelche Trends werden Ihrer Meinung nach in der Aufzugbranche in Zukunft eine Rolle spielen?
Targit: Meine Vorhersage für die Zukunft ist, dass die Höhe der Gebäude abnehmen wird, die Bedingungen für Barrierefreiheit aber auf ein sehr hohes Niveau steigen werden...
Mit anderen Worten: Alle Gebäude werden über Aufzugsysteme verfügen, die den Zugang für ALLE ermöglichen. Ich vermute, dass seillose Aufzüge, die in zwei Dimensionen funktionieren, in großen Gebäuden zum Einsatz kommen werden. Prototypen davon sind jetzt schon in den Forschungs- und Entwicklungszentren zu sehen.
Finden die Unternehmen der türkischen Aufzugbranche noch genügend Fachkräfte? Oder ist dies in der Türkei ebenso problematisch wie im Rest der Welt?
Targit: Der Grund dafür ist, dass junge Menschen nicht in schwierigen und gefährlichen Berufen wie denen der Aufzugbranche arbeiten wollen. Die AYSAD als türkischer Verband der Aufzug- und Fahrtreppenbranche hat in den letzten 15 Jahren auf Aufzüge spezialisierte Zweige in berufsbildenden Schulen eingerichtet. Nicht alle Absolventen landen dann auch in der Branche, das ist Fakt. Doch wir glauben, dass es trotzdem etwas bringen wird, egal, wie viel es letztendlich sein wird.
Die Aufzugbranche gehört zu den Branchen, die vor allem deshalb Fachkräfte benötigt, weil Aufzüge vor Ort installiert und gewartet werden. Es ist sehr wichtig, dass alle Verbände und Unternehmen diesem Thema Priorität einräumen. Vor Jahren gab es hierzu einen Werbefilm der ELA. Wir haben den Film auf Türkisch synchronisiert und in der Türkei veröffentlicht.
Sie haben sich vor kurzem selbst ein Bild von den katastrophalen Zuständen im Erdbebengebiet gemacht. Mit welchen Eindrücken sind Sie zurückgekommen?
Targit: Das letzte Erdbeben war wirklich eine Katastrophe riesigen Ausmaßes. Wir sprechen auch von einem Doppelbeben, weil sich zwei unabhängige und sehr starke Erdbeben in sehr kurzen Abständen ereigneten, wodurch auch die bis zunächst weniger beschädigten Gebäude noch zerstört wurden. Ich bin im Februar nach dem Erdbeben in das Erdbebengebiet gefahren, um mir einen genauen Eindruck von der Lage zu verschaffen. Mit mir waren auch Dr. Erdem İmrak von der Technischen Universität Istanbul und Dr. Ferhat Çelik von Blain Hydraulics, Mitglied des Komponentenausschusses der ELA, dort.
Das Bild, das sich uns bot, war furchtbar. Und auch in technischer Hinsicht alles andere als erfreulich. Unser Interesse gilt dem Zustand von Aufzügen in unbeschädigten Gebäuden. Leider gibt es auch hier Probleme. Das größte Problem bei Aufzügen mit festen Strukturen war die Verschiebung des Gegengewichts. Da die Sicherheitsbremse nicht auf die Gegengewichte wirkt, wird deren Bedeutung unterschätzt. Die gilt sowohl für die Auswahl der Schienen als auch für die Montage. Neben den baulichen Problemen stellte sich natürlich auch die Frage der Wiederinbetriebnahme der Aufzüge.
Wie ich bereits erwähnt habe, gab es zwei Arten von Gebäuden. Bei der ersten Gruppe handelt es sich um völlig zerstörte Gebäude, bei denen es weder eine Möglichkeit gibt noch überhaupt Sinn macht, ihre Aufzüge zu beurteilen. Die zweite Gruppe umfasst unbeschädigte und leicht beschädigte Gebäude. Es war sehr schwierig, technisches Personal für die Überprüfung und Wiederinbetriebnahme der Aufzüge in den unbeschädigten Gebäuden zu finden.
Sehr viele der Techniker standen mit ihren Familien vor großen Problemen, haben ihre Wohnung verloren oder sind in andere Städte abgewandert. Bei der Konstruktion eines Aufzugs für ein Erdbebengebiet sollten all diese Fakten berücksichtigt werden. Wir haben unsere Überlegungen zu diesem Thema in einem Papier zusammengefasst, das ich bei der Elevcon 2023 im Juni in Prag vorgestellt habe.
Haben die Schäden des Erdbebens Auswirkungen auf die Produktion von Aufzuganlagen in der Türkei?
Targit: Durch das Erdbeben in der Türkei ist ein neuer Aufzugsmarkt entstanden. In dieser Hinsicht wird es sich auch positiv auf die Komponentenherstellung auswirken. Mit anderen Worten: Der Bedarf an neuen Aufzügen im Erdbebengebiet entspricht in etwa dem normalen Jahresbedarf an neuen Aufzügen in der gesamten Türkei.
Die Region, in der sich das Erdbeben ereignete, ist kein Zentrum der Aufzugkomponentenherstellung. Insofern wirken sich die Schäden nicht allzu sehr auf die Komponentenherstellung aus.
Die Herstellung von Komponenten in der Türkei erfolgt hauptsächlich in der Marmara-Region und in Zentralanatolien. Da diese Regionen von dem Erdbeben nicht betroffen waren, gibt es hier keine Versorgungsengpässe.
Foto: © Bernd Lorenz/LIFTjournalWird in der Türkei auch die Norm EN 81-77 für Aufzüge angewendet?
Targit: Die EN 81-77 wurde als türkische Norm übernommen und veröffentlicht. Daher sollte sie in der Türkei – die ja zu den erdbebengefährdeten Regionen zählt – angewendet werden.
Einige Probleme, die sich aus den Gebäuden selbst ergeben, erschweren jedoch die Anwendung. So gibt es beispielsweise Schwierigkeiten bei der Umsetzung der EN 81-77, zum Beispiel weil ein Mechanismus zur Erzeugung von Erdbebensignalen in den Gebäuden und der Zugang zu Daten hinsichtlich der Erdbebenbeschleunigung erschwert ist. Bei unseren Untersuchungen im Erdbebengebiet bin ich da auf gravierende Mängel gestoßen. Dieses Problem muss unbedingt untersucht werden.
Wie kann die türkische, aber auch die europäische Aufzugbranche beim Wiederaufbau helfen?
Targit: In der Türkei fanden bereits einige Treffen zu diesem Thema statt. Das Fazit war, dass die Produktionskapazitäten für Komponenten in der Türkei ausreichend seien, es jedoch Probleme bei der Suche nach Montageteams gebe und die Montagezeiten in diesem Bereich entscheidend seien. Natürlich ist auch die Finanzierung hierfür eine sehr wichtige Voraussetzung. Europäische Unternehmen können einige Möglichkeiten bieten, da sie Finanzmittel aus EU-Quellen erhalten.
Ich denke, dass die Ingenieurwissenschaften hier einen wichtigen Beitrag leisten werden. Von Europa in die Türkei ... Es wird geschätzt, dass in der Region etwa 35.000 bis 40.000 neue Aufzüge installiert werden müssen.
Wie ist die Situation in Istanbul in Bezug auf Erdbeben?
Targit: Istanbul ist etwa 1.000 Kilometer vom Erdbebengebiet entfernt. Das Erdbeben hatte hier also keine physischen Auswirkungen. Doch es gab Menschen, die im Erdbebengebiet keine Unterkunft finden konnten und in Großstädte wie Istanbul, Ankara und Izmir abwanderten, um bei ihren Verwandten unterzukommen.
Auf der ELA-Generalversammlung 2013 in Istanbul hielt ich einen Vortrag über das Problem der Wohnungssuche in Istanbul und die steigenden Preise. Ich sagte damals: "Um es in der Sprache der Aufzugingenieure zu sagen: Die Türkei will kein Zufluchtsort oder ein Sicherheitspuffer zwischen der Europäischen Union und dem Nahen Osten sein."
In den letzten zehn Jahren sind wir in genau diese Lage geraten. Riesige Wellen von Einwanderern kamen aus Syrien und Afghanistan in die Türkei – und diese Menschen leben immer noch in der Türkei. Als dann noch die Migration infolge des Erdbebens dazukam, traten in Großstädten wie Istanbul größere soziale und wirtschaftliche Probleme auf.
Die Hallenkapazität der Asansör wurde dieses Jahr erweitert. Welcher Sektor bzw. welche Hersteller in der türkischen Aufzugindustrie sind für diese Erweiterung verantwortlich?
Targit: An der Istanbul Elevator wird seit 1992 gebaut. Und sie ist immer gewachsen, abgesehen von einigen insgesamt eher schlechten Jahren. Einer der Gründe für das Wachstum in diesem Jahr war das mangelnde Interesse an der vorherigen Messe aufgrund der Pandemie.
Die Zahl der Komponentenhersteller in der Türkei nimmt zu. Obwohl dies eine sehr gute Situation zu sein scheint, ist es im Hinblick auf die Makroökonomie meiner Meinung nach keine gute Entwicklung, da es zu Überkapazitäten führt.
Wie Sie sehen können, gibt es inzwischen in einigen Bereichen zu viele Hersteller, allen voran bei den automatischen Türen. Ich denke, dass die hohe Teilnehmerzahl, die ein positiver Indikator für die Branche ist, den Unternehmen und Ingenieuren dabei hilft, ihre Erfahrungen und ihr Wissen zu erweitern.
Aus welchen Ländern kommen die ausländischen Besucher hauptsächlich?
Targit: Die ausländischen Besucher kommen hauptsächlich aus dem Nahen Osten – das ist normal. Allerdings kommen auch Besucher aus ganz Europa und Amerika, angefangen von Nordafrika bis hin zu Südamerika. Bürger all jener Länder, für die die Europäische Union kein einfaches Einreisevisum ausstellt, wickeln ihre weltweiten Beziehungen über die Türkei ab. Dies ist ein Wettbewerbsvorteil der Asansör Istanbul.
Als Vorsitzender des Organisationskomitees freue ich mich sehr über die Teilnahme an der Messe. Sie war sowohl hinsichtlich der Aussteller als auch der Besucherzahl zufriedenstellend.
Wie bewerten Sie das Ergebnis der Wahlen in der Türkei? Was erwartet die türkische Aufzugbranche von der neu gewählten Regierung?
Targit: Wir hatten vor den Wahlen in der Türkei ernsthafte Probleme. Der Grund dafür ist, dass zusätzlich zu den Faktoren, die während der Pandemie die ganze Welt betrafen, noch die Auswirkungen des Krieges zwischen unseren unmittelbaren Nachbarn Ukraine und Russland hinzukamen. Ich denke, dass dieser Prozess nicht gut gehandhabt wurde. Als dann noch die Erdbebenkatastrophe ausbrach, wurde es sehr schwierig, das Land zu steuern.
Wir erwarten von der Seite, die die Wahlen gewinnt, dass die Normen der Europäischen Union, die wir Anfang der 2000er Jahre übernommen haben, ernsthaft umgesetzt werden. Die türkische Aufzugbranche hat keine besonderen zusätzlichen Erwartungen. Allgemeine Probleme wie Finanzen, Beschäftigung, Steuern gelten auch für die Aufzugbranche. Die Lösung dieser Probleme wird auch die Aufzugbranche entlasten.
Das Interview führte Bernd Lorenz.
Weitere Informationen: Sefa Targit ist seit 1979 in der Aufzugbranche in verschiedenen Positionen tätig. Seit 1992 ist er CEO und Aktionär von Asray – einem Unternehmen, das Aufzugführungsschienen herstellt. Die Produktion startete 1968 noch in kleinem Umfang und erreichte mit dem Umzug in das heutige Werk in Gebze eine beachtliche Größe.
Sefa Targit ist Vorsitzender des Organisationskomitees der Asansör. Außerdem ist er Mitglied der AYSAD, dem ältesten Aufzugsverband der Türkei. Sie wurde 1972 gegründet und hat Mitglieder aus der ganzen Türkei. Die AYSAD vertritt die türkische Aufzugbranche gegenüber anderen Branchen in der Türkei und der Europäischen Union. Targit steht seit vielen Jahren an der Spitze der AYSAD und vertritt den Verband in der Federation of Industrial Associations (SEDEFED), der Turkish Machinery Federation (MAKFED) und der Construction Materials Association (İMSAD).
In diesen Verbänden und Vereinigungen war er auch als Vorstandsmitglied und Vorsitzender tätig. Außerdem war er ein aktiver Vertreter in der European Elevator Association (ELA). In der zweiten Hälfte der 2000er Jahre war er fünf bis sechs Jahre lang Mitglied des ELA-Komponentenausschusses. "Als Wolfgang Adldinger noch Vorsitzender war, war ich Teil seines Teams. Seit 2006 verfolge ich die Aktivitäten der ELA sehr genau", so Sefa Targit.
Kommentar schreiben