Experimentträger mit Flugcomputer, Telemetrie, Sensorik, Kameras und Energieversorgung in der Beladeebene vor der verschlossenen Gondel.

Experimentträger mit Flugcomputer, Telemetrie, Sensorik, Kameras und Energieversorgung in der Beladeebene vor der verschlossenen Gondel. (Foto: © Leibniz Universität Hannover / Marie-Luise Kolb)

Frequenzumrichter im Einstein-Elevator

Aktuelles

Physikalische und produktionstechnische Versuche für Anwendungen im Weltraum, auf dem Mond oder sogar auf dem Mars: Was klingt wie Science-Fiction, könnte bald real werden.

Denn bereits jetzt finden entsprechende Forschungsexperimente in einem neuen Fallturm der Leibniz Universität Hannover statt, dem Einstein-Elevator

Das geschieht unter variablen Gravitationsbedingungen bis hin zu vier Sekunden in der Schwerelosigkeit. Die Versuchskapsel wird dabei von einem Hochleistungsantrieb beschleunigt, der dafür mehrere Mega-Watt aus einem Energiespeicher bezieht. Geregelt wird die Energiezufuhr mit Frequenzumrichtern der Firma Gefran.

Der Mond ist eine ideale Ausgangsbasis für Expeditionen und kann zukünftig vielleicht sogar als Forschungsstation genutzt werden. In der bemannten Raumfahrt werden deshalb immer mehr Geräte benötigt, die sich nutzen lassen, um zum Beispiel Ressourcen vor Ort zu Baumaterial zu verarbeiten oder auch Bau- und Ersatzteile zu fertigen.

Der Einstein-Elevator

Aktuell entwickeln Forscher vom Laser Zentrum Hannover e.V. und des Instituts für Raumfahrtsysteme (IRAS) der Technischen Universität Braunschweig zu diesem Zweck im Projekt Moonrise (siehe Infokasten unten) einen Laser, der Mondstaub aufschmelzen und in feste Kugeln verwandeln soll.

"Das ist ein erster Schritt, um später den 3D-Druck auf den Mond zu bringen", berichtet Prof. Dr.-Ing. Ludger Overmeyer, Leiter des Instituts für Transport- und Automatisierungstechnik (ITA) der Leibniz Universität Hannover sowie Vorsitzender des wissenschaftlichen Direktoriums am Laser Zentrum Hannover e.V. und Projektleiter des Moonrise-Projektes.

Um außerirdische Umgebungsbedingungen zu simulieren, hat das ITA gemeinsam mit den Kollegen des Instituts für Quantenoptik der Leibniz Universität Hannover in den vergangenen Jahren ein Großprojekt auf die Beine gestellt: Den Einstein-Elevator. Er wurde Anfang diesen Jahren in Betrieb genommen. Nun finden darin erste Experimente statt.

Drei, zwei, eins – los!

In jedem der zwei Antriebsstränge des Einstein-Elevators sorgen fünf parallelgeschaltete ADV200-Umrichter für eine symmetrische Aufwärtsbewegung. Foto: © Leibniz Universität Hannover / Ch. Lotz, SIEI AREG GmbHIn jedem der zwei Antriebsstränge des Einstein-Elevators sorgen fünf parallelgeschaltete ADV200-Umrichter für eine symmetrische Aufwärtsbewegung. Foto: © Leibniz Universität Hannover / Ch. Lotz, SIEI AREG GmbH

Während die Wiederholrate bei anderen Falltürmen bei nur etwa zwei bis drei Versuchen am Tag liegt, kann im Einstein-Elevator maximal alle vier Minuten ein neuer Durchlauf stattfinden, so dass theoretisch bis zu 300 Flüge im Dreischichtbetrieb pro Tag möglich sind. Anstelle von großen Vakuumkammern und freiem Fall, wie sonst üblich, saust hier eine Versuchskammer – in Form einer Gondel – an Schienen geführt in enormer Geschwindigkeit auf und ab.

Außerdem ist der Einstein-Elevator die erste Anlage weltweit, die neben Schwerelosigkeit auch unterschiedliche Gravitationsbedingungen simulieren kann. In der Gondel haben experimentelle Aufbauten mit einem Durchmesser von 1,7 Metern, einer Höhe von zwei Metern mit einem maximalen Gewicht von 1000 Kilogramm Platz.

Die Herausforderung besteht darin, große Lasten mit sehr hoher Geschwindigkeit zu bewegen und punktgenau wieder abzubremsen. Die Motoren müssen also eine enorme Leistung erbringen und die Anlage muss über eine äußerst präzise Mess-, Regel- und Führungstechnik verfügen sowie einen hohen Automatisierungsgrad aufweisen.

Für den Gleichlauf sind darüber hinaus die Umrichter von großer Bedeutung. In der Anlage sind drei unabhängige Antriebsstränge verbaut. Zwei davon dienen zum Beschleunigen der Gondel. "Pro Strang werden fünf Frequenzumrichter der ADV200 Baureihe von Gefran mit einer Leistung von jeweils 400 kW zzgl. Überlast von bis zu 180 Prozent parallelgeschaltet, um die Anlage sehr symmetrisch nach oben zu bewegen", erklärt Christoph Lotz, Projektmanager für den Einstein-Elevator am ITA. Der dritte Antriebsstrang dient der Regelung der Schwebehöhe (Schwerelosigkeit) und der Erzeugung der variablen Beschleunigungen.

Hochleistungsantrieb der Intrasys GmbH

Das Antriebs-, Brems- und Steuerungssystem für den Fahrtablauf des Einstein-Elevators inklusive Schweberegelung hat die Intrasys GmbH gemeinsam mit der Leibniz Universität Hannover entwickelt. Damit kann die tonnenschwere Gondel mit 5 g vertikal in 0,5 Sekunden auf 72 km/h beschleunigt und sicher wieder abgebremst werden.

Die Linearantriebe des Unternehmens benötigen dafür für wenige Sekunden sehr hohe Ströme. "Bei einem Abschuss der Gondel wird eine große Menge an Energie durch die Gefran-Umrichter aus dem Supercap-Energiespeicher der Stercom GmbH entnommen und an die Statoren weitergegeben", erläutert Dr. Tobias Hollmer, Geschäftsführer Forschung und Entwicklung bei Intrasys, das Funktionsprinzip des Antriebs. Dort erzeugt der Strom ein magnetisches Feld, welches dann mit einem Magnetfeld wechselwirkt und das Fahrzeug antreibt.

Im Einstein-Elevator kommen nicht nur Standard-, sondern auch Sonderkomponenten des Antriebsherstellers zum Einsatz, die individuell für den Fallturm entwickelt wurden. "Im Gegensatz zu unseren bewährten Achterbahnantrieben mussten wir hier zum Beispiel eine wesentlich präzisere Positionserfassung realisieren", erklärt Hollmer weiter.

"Das war notwendig, um die hohen Anforderungen an die Regelgenauigkeit der Anlage einhalten zu können." Um der Dynamik der Anwendung gerecht zu werden, setzt das Unternehmen darüber hinaus eine neue Methode zur optischen Datenübertragung ein, da keine fertige Lösung am Markt verfügbar war.

Messen und Regeln im Einstein-Elevator

Schnitt durch die Konstruktion des Einstein-Elevators. Foto: © Leibniz Universität Hannover / Sebastian LazarSchnitt durch die Konstruktion des Einstein-Elevators. Foto: © Leibniz Universität Hannover / Sebastian Lazar

Von entscheidender Bedeutung ist auch das nahtlose Zusammenspiel der Steuerung mit der Messtechnik. "Unsere Sensoren befinden sich direkt an der Gondel und senden Daten in Echtzeit an den Antrieb, der unten im Turm verbaut ist", erläutert Christoph Lotz vom ITA.

Um die genaue Schweberegelung realisieren zu können hat Intrasys zudem eine neue Anlagensteuerung entwickelt und ein speziell konstruiertes Magnetjoch, um eine deutliche Gewichtsreduktion im Vergleich zu Standardjochen zu erzielen.

Hochleistungsspeicher der Stercom GmbH

Als während der Planung des Fallturms klar wurde, dass eine so hohe Leistung für den Antrieb nicht einfach aus dem Netz gezogen werden kann, kam die Firma Stercom ins Spiel, die sich auf den Aufbau von Hochleistungsspeichern spezialisiert hat.

"Wenn man die Gefran-Umrichter einfach an das Stromnetz angeschlossen hätte, damit sie aus der Wechselspannung eine DC-Spannung erzeugen, würde das Netz extrem belastet werden und die Spannung in den sensiblen Forschungseinrichtungen in der Nachbarschaft stark einbrechen", erklärt Diplom-Ingenieur (Univ) Robert Sterff, CEO und Gründer von Stercom.

"Deshalb musste für die notwendige Leistung im Einstein-Elevator ein Hochleistungsspeicher als Puffer zum Einsatz kommen, der langsam aufgeladen wird und dann sehr hohe Ströme – bis zu 7000 A – in kurzer Zeit wieder abgeben kann."

Gegen Rückspeisung entschieden

Während in anderen Anwendungen die Bremsenergie zurückgewonnen und zum Laden des Speichers verwendet werden kann, hat sich das ITA jedoch bewusst gegen eine Rückspeisung entschieden: "Die Ersparnis an Strom steht in keinem Verhältnis zu dem Sicherheitsrisiko. Uns war es wichtig, die Anlage jederzeit sicher zum Stillstand zu bringen", so Overmeyer.

Nachdem die Energie bei einem Versuch verbraucht wurde, hat das System vier Minuten Zeit zum Wiederaufladen. Mit ca. einer Million Ladezyklen ist die Lebensdauer eines Supercaps im Vergleich zu einer normalen Batterie mit nur einigen tausend Zyklen viel höher.

Als Speicherelemente kommen sogenannte Doppelschicht-Kondensatoren oder Supercaps zur Anwendung, das sind innovative Hochleistungskondensatoren mit enormer Kapazität. Sie können im Vergleich zu modernen Lithiumbatterien zwar weniger Energie speichern, diese aber wesentlich schneller und öfter wieder abgeben. Zum besseren Verständnis erklärt Robert Sterff: "Herkömmliche Batterien sind wie Ausdauersportler und Supercaps dagegen wie Sprinter mit extremer Schnellkraft."

Moonrise – 3D-Druck auf den Mond bringen: Im Projekt Moonrise wird ein Lasersystem entwickelt, das Mondstaub, das sogenannte Regolith, aufschmelzen soll. Es ist der erste Schritt, um die Additive Fertigung, also den 3D-Druck, auf den Mond zu bringen. Das Lasersystem ist am Anfang des Jahres 2020 unter Mondbedingungen im Einstein-Elevator getestet worden.


Umrichtertechnik von Gefran: Für den Einstein-Elevator hat Gefran Intrasys mit Frequenzumrichtern beliefert, die mit einer speziellen Regelungssoftware ausgestattet worden sind, um die Antriebe anzusteuern. Um die Gondel zu bewegen, werden die Linearmotoren durch die Umrichtertechnik mit Strom aus einem Energiespeicher versorgt, der über einen DC-Zwischenkreis angekoppelt ist.


Weitere Informationen: gefran.de

Link zum Moonrise-Film

Das könnte Sie auch interessieren: