Auch für Treppenlifte gilt ein Widerrufsrecht
Wer außerhalb von Geschäftsräumen einen Treppenlift bestellt, kann innerhalb von 14 Tagen vom Kauf zurücktreten. Und zwar auch dann, wenn der Lift individuell angepasst wurde. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden.
Die Gerichte in Deutschland waren sich uneins, welcher Vertragstyp bei individuell angefertigten Treppenliften vorliegt und ob Kunden ihn widerrufen können.
Nun hat der Bundesgerichtshof (BGH) für Klarheit gesorgt: Es handelt sich um einen Werkvertrag, für den das gesetzliche 14-tägige Widerrufsrecht gilt und auch nicht von einer gesetzlichen Ausnahmeregelung ausgeschlossen ist, entschieden die obersten deutschen Zivilrichter. Sie stärkten damit den Verbraucherschutz.
Der Fall
Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg hatte gegen einen Hersteller von Kurventreppenliften geklagt. Die Lifte der Firma laufen auf Schienen, die individuell an die Kurven im Treppenhaus des Kunden angepasst werden.
Der Hersteller ist der Ansicht, dass Verbrauchern für die Kurventreppenlifte – außer für ein bestimmtes Modell – kein gesetzliches Widerrufsrecht zustehe. Dies erklärte das Unternehmen auch seinen Kunden und wies einen Widerruf grundsätzlich zurück. Die Verbraucherschützer sahen darin einen Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht.
Das Urteil
Der BGH stellten sich – anders als die Vorinstanz, das Oberlandesgericht (OLG) Köln – auf die Seite der Kunden. Diese haben ein Widerrufsrecht, betonten die Richter. Und zwar auch dann, wenn der Lift individuell an das Treppenhaus des Erwerbers angepasst wird. Der Schwerpunkt des Vertrages liege nicht darin, dass der Käufer – wie bei einem Kaufvertrag typisch – Eigentümer des Lifts werde.
Wichtig für den Kunden sei vielmehr, dass der Treppenlift eingebaut und ganz speziell an seine Bedürfnisse angepasst wird. Damit handele es sich bei dem Vertrag um einen Werkvertrag. Er ziele auf die Herstellung eines funktionstauglichen Werks, das zu einem wesentlichen Teil in der Anfertigung einer passenden Laufschiene und ihrer Einpassung in das Treppenhaus des Kunden bestehe.
Die Vorinstanz, das Oberlandesgericht Köln, hatte angenommen, dass hier § 312 g Abs. 2 Nr. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) greift. Nach dieser Norm ist das Widerrufsrecht bei einem Kaufvertrag ausgeschlossen, wenn es sich um Waren handelt, die individuell auf die Bedürfnisse der Vertragspartner angepasst werden müssen. Auf Werkverträge ist diese Ausnahmeregelung aber nicht anwendbar, sagt der BGH.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 20. Oktober 2021, Az. I ZR 96/20
Widerrufsrecht beim Werkvertrag
Seit Juni 2014 gilt das neue Verbraucherschutzrecht. Danach haben Privatkunden unter anderem ein 14-tägiges Widerrufsrecht bei Verträgen, die außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen wurden (AGV). Beispiel für einen AGV: Der Hersteller nimmt Aufmaß vor Ort und schließt anschließend beim Kunden direkt einen mündlichen Vertrag.
In solchen Situationen müssen Betriebe Verbraucher rechtzeitig und umfassend über ihr Widerrufsrecht belehren. Ab diesem Zeitpunkt kann der Kunde 14 Tage lang den Vertrag widerrufen, ohne Angaben von Gründen.
Achtung: Falls die Belehrung über das Widerrufsrecht fehlt, falsch oder unvollständig ist, verlängert sich das Recht auf zwölf Monate und 14 Tage! Beginnt der Hersteller mit seiner Arbeit auf ausdrücklichen Wunsch des Kunden bereits während der 14-tägigen Frist, sollte er auf keinen Fall die Belehrung vergessen. Denn dann muss der Kunde, wenn er den Vertrag widerruft, die bereits erbrachten Leistungen bezahlen. Ohne ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung geht der Aufzugsbauer in solchen Fällen leer aus!
Der Widerruf hat übrigens nichts mit der Abnahme der Werkleistung zu tun und ist davon unabhängig. Die Abnahme hat auf das Widerrufsrecht grundsätzlich keinen Einfluss. Das heißt, der Widerruf kann trotz Abnahme und Zahlung noch erklärt werden, wenn die Belehrung fehlte und der Kunde die Frist (12 Monate und 14 Tage) eingehalten hat.
Anne Kieserling
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