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Wie viel Aufzug braucht ein Gebäude?

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Ungeduldig und lange auf den Aufzug warten? Das müssen viele Nutzer und sie laden ihren Ärger darüber häufig bei ihren Fachfirmen ab. Aber wie viel Aufzug benötigt überhaupt ein Gebäude, um die Wartezeit auf ein empfundenes Normalmaß zu reduzieren bzw. zu optimieren?

Von Alexander Rath

Faustregel für Wohngebäude

In Wohngebäuden mit bis zu zwölf Wohneinheiten und sechs Etagen reicht für die Erschließung in der Regel ein Aufzug mit 630 Kilogramm Traglast für bis zu acht Personen. Besser wäre jedoch eine Traglast von 1.000 Kilogramm und 13 Personen, um auch einen Möbel- oder Liegendtransport gewährleisten zu können. Die Auslegung des Fahrkorbs ist abhängig von den Anforderungen des Objektes und ggf. regionalen Bauauflagen.

Die Förderleistung kann hier überschlägig ermittelt werden, man braucht in der Regel keine umfangreiche Förderleistungsanalyse. Dabei sollte auch eine mögliche spätere Umnutzung des Gebäudes bedacht werden, die völlig andere Anforderungen mit sich bringen kann. Hier bedeutet also Nachhaltigkeit, schon an die Zukunft zu denken.

Faustregel für Bürogebäude

Für Bürogebäude kann für eine erste grobe Schätzung der erforderlichen Aufzüge folgende Faustformel angewendet werden:
Pro 200 Personen = 1 Aufzug

Für die Berechnung der erforderlichen Betriebsgeschwindigkeit gilt:
Förderhöhe in Metern geteilt durch 25 = Betriebsgeschwindigkeit in Metern pro Sekunde, sie muss dann auf die technisch verfügbaren Standardgeschwindigkeiten gerundet werden.

Aber Vorsicht: Diese Ergebnisse sind nur grobe Richtwerte und Anhaltspunkte. Sie müssen stets einer fachlichen Prüfung unterzogen werden!

Norm ISO 8100-32

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Deutlich präziser in der Anwendung ist die Norm ISO 8100-32. Darin ist von der Förderleistung die Rede (HC5/ Ch.req). Sie gibt an, wie viel Prozent der Gebäude-Nutzer innerhalb von fünf Minuten per Aufzug vom Erdgeschoss in ihre Stockwerke gebracht werden können. Das ist ein Qualitätsmerkmal für Immobilien und wird in der Regel durch den Bauherrn festgelegt. Idealerweise sollte der HC5-Wert zwischen elf und vierzehn Prozent liegen.

Ein Beispiel: Liegt der HC5-Wert bei zwölf Prozent, können zwölf Prozent der Nutzer der Immobilie innerhalb von fünf Minuten von der Lobby auf die Etagen transportiert werden. Bei einer angenommenen Gesamtbelegung des Gebäudes von 1.000 Personen wären das also 120 Personen. Hierbei sollte die mittlere Wartezeit – also die Zeit vom Aufzugruf bis zum Eintreffen des Fahrkorbes ("taw.req") – nicht länger als 30 Sekunden betragen. Wenn das so ist, funktionieren auch alle anderen Verkehrsarten dieser Immobilie.

Konkurrenz zwischen Kapazität und Wartezeit

Klassischerweise konkurrieren die Ziele einer hohen Förderleistung (Personenzahl) und geringer Wartezeiten miteinander. Eine Optimierung der Förderleistung geht zumeist auf Kosten der Wartezeiten und andersherum. Für ein gutes Aufzugsdesign mit den optimalen Fahrkorbgrößen, Türen, Geschwindigkeiten und der optimalen Anzahl der Aufzüge müssen diese beiden Ziele bestmöglich gegeneinander abgewogen werden.

Jede Immobilie ist genauso unterschiedlich wie das Verhalten der Aufzugsnutzer – deshalb müssen auch die Richtwerte für Wartezeiten und Förderleistung stets im Einzelfall berechnet werden. Aus diesem Grund können hier nur unverbindliche Faustformeln angegeben werden.

Ein Objekt mit nur einer Nutzungsart bringt andere Gegebenheiten mit sich als ein Gebäude mit einer Mischnutzung. So haben auch flexible Arbeitszeiten, die gemeinsame Nutzung von Arbeitsplätzen oder Etagen mit besonderer Nutzung (z. B. die Kantine im obersten Geschoss) Einfluss auf die Aufzugsperformance.

Wann ist eine Verkehrsberechnung notwendig?

Für Neubauten
ist eine Berechnung generell zu empfehlen – vor allem bei Krankenhäusern, Hotels sowie bei Immobilien mit einer Mischnutzung von Wohnen und Gewerbe. Auch für Gebäude mit einer Förderhöhe ab 22 Stockwerken ist eine Berechnung angeraten, wenn nicht alle Aufzüge jedes Stockwerk anfahren.

Dies gilt umso mehr, weil die Hauptaufgabe einer guten Aufzugserschließung die Optimierung des Flächenbedarfes bei einer ausreichenden Förderleistung ist. Schließlich stellt jeder Quadratmeter im Grundriss multipliziert mit der Anzahl der Haltestellen den wohl größten Kostenfaktor der Aufzüge im Neubau dar.

Für Bestandsgebäude
ist eine Verkehrs(nach)berechnung immer dann nötig, wenn
• es Probleme mit der Förderkapazität gibt,
• eine Umnutzung geplant ist
• oder die mittleren Wartezeiten nicht zumutbar sind

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Da der Aufzug bzw. die Anzahl der Aufzüge vorgegeben ist/sind, muss bei der Modernisierung nach Optimierungen gesucht werden – soweit sie umsetzbar sind. Hier kann die Förderleistung durch technische Maßnahmen erhöht werden.

Je nach Anlage, können die Maßnahmen recht unterschiedlich sein:
• der Einbau einer intelligente Steuerung/ Gruppensteuerung,
• die Steuerung von Zwei- auf Einknopf ändert (um Fehlfahrten zu reduzieren),
• Änderung der Türart von einseitig auf zentralöffnend,
• Einbau schnellerer Türen (Türantriebe),
• "Einfahren mit offenen Türen" ermöglicht,
• Optimierung der Fahrkurve.

Im Übrigen: Die Betriebsgeschwindigkeit hat nur einen relativ kleinen Einfluss auf die Förderleistung und somit auch die mittleren Wartezeiten, viel wichtiger ist es, die Haltestellenverlustzeiten zu reduzieren.

Alexander Rath ist Niederlassungsleiter Österreich bei Hundt Consult.


Welche Faktoren beeinträchtigen die Förderkapazität in Gebäuden? Umfeldfaktoren können sein:
1. Starke Spitzen im Personenzustrom, die z. B. durch eine Bahnhaltestelle direkt vor dem Gebäude oder starre Arbeitszeitmodelle entstehen.
2. Die Belegung der Etagen z. B. durch Mieter mit viel Publikumsverkehr (Behörde, Arzt) – im Gegensatz zu einer Anwaltskanzlei mit Einzelplatzbüros.
3. Hoher Interstockwerksverkehr durch unterschiedliche Hauptzugangshaltestellen wie z. B. Parkebenen im Untergeschoss, Kantine im Obergeschoss oder durch Mieter, die über mehrere Etagen verteilt Büroflächen angemietet haben.
4. Sich wandelnde Anfahrtsgewohnheiten wie geänderte Fahrradstellplätze in den Untergeschossen
5. Die Architektur des Gebäudes, die Einfluss auf die Häufigkeit der Treppennutzung hat
6. Abwesenheitsfaktoren wie Ferienzeit, Außendienst, Krankheit oder "VIP-Fahrten"

Aufzugstechnische Faktoren können sein:
1. eine zu geringe Anzahl von Aufzügen
2. zu kleine, aber auch zu große Fahrkörbe, der Fahrkorbgrundriss
3. langsame Türöffnungs- und Türschließzeiten
4. zu geringe Türgrößen und die damit verbundenen langen Ein- und Aussteige-Zeiten
5. zu geringe Beschleunigung und Verzögerung des Fahrkorbs
6. keine voreilenden Türen
7. vorbereitendes Bremslüften vor der Abfahrt
8. zu geringe Betriebsgeschwindigkeit
9. Steuerungssystem ohne kluge Parkhaltestellen (Im besten Falle lernen die Aufzüge, zu welcher Zeit sie an welchen Haltestellen warten, um vorhersehbare Nutzungshäufungen schneller abarbeiten zu können).
10. Schlecht eingestellte Parametrierung mit hohen Haltestellenverlustzeiten
11. Störungen eines Aufzugs innerhalb einer Aufzugsgruppe (Da die anderen Aufzüge noch im Betrieb sind, fällt die Störung am einzelnen Aufzug erst sehr spät auf).
12. Prüfungen, Wartungen usw. Innerhalb der Kernarbeitszeit


Kasten 2: Tiefkorb:
1. Nur bedingt bürohaustauglich
2. Teleskoptüren sind langsam
3. 900 mm breite Türen wirken sich negativ auf die Ein- und Aussteigezeiten aus
4. Fahrkorbfüllgrad max. 70 Prozent – 1.000 kg = 13 Personen also maximal 9 Personen
5. Lange Ein- und Aussteigezeiten wegen der Fahrkorbtiefe

Breitkorb:
1. bürohaustauglich
2. Zentralöffnende Türen sind schnell
3. 1.100 mm breite Türen wirken sich positiv auf die Ein- und Aussteigezeiten aus
4. Fahrkorbfüllgrad max. 70 Prozent – 1.000 kg = 13 Personen, also maximal 9 Personen
5. kurze Ein- und Aussteigezeiten wegen der Fahrkorbausführung

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