Die britische Regierung hat die Anerkennung der CE-Kennzeichnung für das Inverkehrbringen von Waren auf dem britischen Markt auf unbestimmte Zeit verlängert.
Spannend ist natürlich auch die Frage, wie die britische Regierung mit der neuen EU-Maschinenverordnung umgehen wird. Das LIFTjournal führte ein Interview mit Nick Mellor zu diesem Thema. Er ist Managing Director der LEIA (Lift and Escalator Industry Association).
Wie hat sich der Brexit auf die britische Aufzugbranche ausgewirkt?
Mellor: Vor allem in der ersten Zeit gab es einige Versorgungsengpässe. Und natürlich hatten wir ähnliche Probleme wie andere Länder hinsichtlich der Versorgung mit bestimmten Halbleitern sowie andere Unterbrechungen der globalen Lieferkette. Auch auf dem britischen Arbeitsmarkt hat sich die Lage allgemein verschärft.
Gravierende Auswirkungen hatte die Einführung der UKCA-Kennzeichnung. Den Unternehmen, die an der Neuzertifizierung ihrer Maschinen, Aufzüge und Sicherheitsbauteile für Aufzüge arbeiteten, um für die Einführung der obligatorischen UKCA-Kennzeichnung gerüstet zu sein, entstanden erhebliche Zusatzkosten – zumal es anfangs einen Mangel an „Approved Bodies“ gab.
Die britische Regierung hat die Anerkennung der CE-Kennzeichnung für das Inverkehrbringen von Waren auf dem britischen Markt auf unbestimmte Zeit verlängert. Wie ist es dazu gekommen?
Mellor: Seit der Ankündigung des UKCA-Kennzeichnungssystems haben wir mit der britischen Regierung zusammengearbeitet, um unsere Besorgnis über die zusätzlichen Kosten, den Mangel an Approved Bodies im Vereinigten Königreich und die zusätzliche Belastung zum Ausdruck zu bringen – in einer Zeit, die ohnehin von großen Herausforderungen geprägt war. Als wir zum ersten Mal um eine unbefristete Verlängerung der Anerkennung der CE-Kennzeichnung unter Beibehaltung der grundlegenden Gesundheitsschutz- und Sicherheitsanforderungen (EHSR) baten, haben viele nur gelacht.
Nick Mellor, Managing Director der LEIA. Foto: © The Lift and Escalator SymposiumEinige wichtige Akteure der Branche, die von Mitarbeitern der britischen Regierung besucht wurden, brachten dann aber überzeugende Argumente vor. Das hat unserer Meinung nach wirklich dazu beigetragen, dass die britische Regierung die Probleme versteht. In Zusammenarbeit mit unseren führenden Unternehmen und der gesamten britischen Industrie haben wir also unser Ziel erreicht.
Im Vereinigten Königreich gibt es einen Unterschied zwischen der Anerkennung der CE-Kennzeichnung für die Anwendung im Vereinigten Königreich, z. B. für Aufzüge, Maschinen, EMV usw., und der Anerkennung der CE-Kennzeichnung im Rahmen der Bauprodukteverordnung (BauPVO) der EU – die von der jüngsten Ankündigung der britischen Regierung nicht abgedeckt ist. Das System der Produktprüfung im Rahmen der BauPVO ist sehr komplex. Und im Zuge der Aufarbeitung der Probleme, die sich aus dem Brand im Grenfell Tower ergeben haben, könnte es sein, dass ein strengeres System zur Unterstützung der Gebäudesicherheit erforderlich ist – wobei eine UKCA-Kennzeichnung notwendig ist, falls und wo diese von den EU-Anforderungen abweicht.
Wie reagiert die britische Regierung auf die neue EU-Maschinenverordnung? Wird das Vereinigte Königreich die EU-Rechtsvorschriften umsetzen, ändern oder sogar weitere Anforderungen hinzufügen?
Mellor: Die EU-Maschinenverordnung wurde kürzlich veröffentlicht und muss von der britischen Regierung in Absprache mit der britischen Industrie geprüft werden. Die LEIA würde es begrüßen, wenn in den britischen Vorschriften zumindest die grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen (GSA) der EU-Maschinenverordnung übernommen würden.
Die neuen grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen der EU-Maschinenverordnung betreffen Bereiche, in denen auch das Vereinigte Königreich mit neuen Technologien konfrontiert ist – auch wenn in der neuen EU-Maschinenverordnung nicht die Gelegenheit genutzt wurde, andere betroffene Bereiche zu definieren.
Für mich gäbe es da durchaus interessante Aspekte: So sind beispielsweise die neuen Anforderungen für wesentliche Änderungen an Maschinen von Interesse. Hier ist eine Beratung durch die Branche erforderlich, um mögliche Auswirkungen zu erörtern und die Anwendung zu unterstützen. Die Klarstellung im Text der GSA 6.2 für Steuereinrichtungen ist hier durchaus hilfreich – insbesondere in Bezug auf Hebezeuge, die nicht vollständig physisch umschlossen sind.
Hebezeuge im Sinne der EU-Maschinenverordnung können Teile umfassen, die der Ausbreitung von Feuer in einem Gebäude entgegenwirken. Außerdem scheint es keine GSA zu geben, die sich damit befasst. Die GSA 4.2 der Aufzugrichtlinie behandelt dieses Thema für Fahrschachttüren, aber die GSA 1.5.6 der EU-Maschinenverordnung scheint nicht weit genug zu gehen, um diese Frage zu klären.
Generell wird das Vereinigte Königreich jede neue EU-Richtlinie/-Verordnung prüfen müssen, sobald sie veröffentlicht wird. Wir würden es begrüßen, wenn es man davon ausgehen könnte, dass die Vorschriften des Vereinigten Königreichs angeglichen werden und nur in Ausnahmefällen davon abgewichen wird, z. B. wenn es ein starkes Sicherheitsargument für zusätzliche wesentliche Sicherheitsanforderungen des Vereinigten Königreichs gäbe. In letzter Zeit hat die britische Regierung mehr Pragmatismus an den Tag gelegt, als es in der Vergangenheit der Fall war und – wie zuvor erwähnt – die Zusammenarbeit mit der Industrie verbessert. Wir sind optimistischer als zuvor, und dies bleibt ein Schwerpunkt unserer Zusammenarbeit.
Wie wird die ISO 8100-1/2 im Vereinigten Königreich umgesetzt werden? Glauben Sie, dass sie auf die gleiche Art und Weise übernommen wird wie die anderen Aufzugsnormen?
Mellor: Ja. Die „British Standard Institution“ (BSI) bleibt Mitglied von CEN und ISO und engagiert sich in beiden Organisationen. Als ISO-Mitglied hat BSI die ISO 8100-1/-2 als BS ISO 8100-1/-2 veröffentlicht. Als CEN-Mitglied wird BSI die EN ISO 8100-1/-2 als BS EN ISO 8100-1/-2 veröffentlichen. Die britischen Delegierten beim CEN arbeiten seit vielen Jahren an diesen Normen. Wir werden beim CEN weiter an diesen und anderen EN 81- und EN 115-Normen arbeiten, um sie zum Nutzen unserer Branche zu verbessern.
Solange die grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen der EU-Aufzugrichtlinie und der britischen Aufzugverordnung aufeinander abgestimmt bleiben (es gibt keine Pläne vom Vereinigten Königreich davon abzuweichen), gehen wir davon aus, dass die harmonisierten EU-Normen auch als „designated standards“ benannt werden. Vor Kurzem wurden die kürzlich veröffentlichten Überarbeitungen von 2022 der Normen EN 81-21, EN 81-28, EN 81-58, EN 81-70+A1 und EN 81-77 (aber nicht EN 81-71) im Amtsblatt der EU genannt.
Die Liste der designated standards des Vereinigten Königreichs wurde direkt von der Liste der harmonisierten EU-Normen zum Zeitpunkt des Brexit übernommen. Wir erwarten, dass diese neuen harmonisierten EU-Normen in dieser Liste erscheinen werden.
Wo positioniert sich die LEIA zwischen den OEMs und den kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU)?
Mellor: In der LEIA – dem einzigen Fachverband, der die britische Aufzugsbranche vertritt – sind sowohl OEMs als auch KMUs als Mitglieder vertreten. Alle Mitglieder leisten einen entscheidenden Beitrag zu unserer Arbeit.
Auf internationaler Ebene gibt es z. B. die Elevcon, seit einigen Jahren das „International Elevator & Escalator Symposium“, in Deutschland die „Heilbronner Aufzugstage“ und das „Schwelmer Symposium“ – wo ist das „Lift & Escalator Symposium“ einzuordnen?
Mellor: Es ist uns wichtig, dass das Lift & Escalator Symposium nicht gewinnorientiert ist und von einer gemeinnützigen Organisation betrieben wird. Dies ermöglicht es dem Symposium, seine Bildungsziele voranzutreiben und die Teilnehmerzahl zu erhöhen, indem die Kosten für die Teilnahme niedrig gehalten werden. Das Symposium wird dabei von den teilnehmenden Ausstellern fantastisch unterstützt.
Die Vorträge sind von hoher Qualität – sie werden von Fachkollegen begutachtet, wie man es von akademischen Arbeiten erwarten würde. Durch das Symposium ist eine ganz besondere Gemeinschaft entstanden, und wir freuen uns darauf, alle in Northampton zu sehen.
Welches sind die besonderen Herausforderungen für die Aufzugbranche im Vereinigten Königreich und in Europa im Hinblick auf die Digitalisierung? Auf dem deutschen Markt befasst sich die ZÜS mit dem Thema Cybersicherheit – wie ist die Situation bei Ihnen?
Mellor: Die allgemeinen Probleme, mit denen das Vereinigte Königreich konfrontiert ist, sind ganz ähnlich wie im Rest Europas. Das Vereinigte Königreich hat derzeit ein besonderes Problem, da die alten Telefonleitungen ausgemustert und durch Glasfaserkabel ersetzt werden. Dies stellt die Betreiber von Aufzügen vor Probleme. Sie reagieren darauf, indem sie weitgehend GSM-basierte Alarmkommunikationssysteme einführen, wenn sie umsteigen müssen.
Und der Mangel an Fachkräften? Die LEIA ist sehr aktiv im Bereich Aus- und Weiterbildung ...
Mellor: Wir verzeichnen weiterhin eine starke Nachfrage nach unseren technischen Fernschulungen. Das Wachstum hat auch während der Pandemie angehalten, was sehr ermutigend ist. Gute Arbeitgeber sind bestrebt, ihre Mitarbeiter weiterzubilden. In den letzten Jahren hat das Vereinigte Königreich eine neue Struktur für die Ausbildung eingeführt. Darüber hinaus haben wir zusammen mit wichtigen Arbeitgebern hart daran gearbeitet, die neuen Standards für die Ausbildung in unserer Branche zu definieren.
Die Ausbildung im Bereich Aufzüge und Fahrtreppen wird derzeit überarbeitet und profitiert auch vom Beitrag des LEIA Assessment, das wir eingerichtet haben, um die Beurteilung der Auszubildenden am Ende ihrer Ausbildung durchzuführen. Wir sind sehr zufrieden mit den erzielten Fortschritten und sehr stolz auf unsere Unterstützung für Arbeitgeber, Auszubildende sowie die Ausbildungen in unserer Branche als Ganzes.
Das Interview führte Ulrike Lotze.
Weitere Informationen: leia.co.uk
Die EU Notified Bodies wurden nach dem Brexit im Vereinigten Königreich zu UK Approved Bodies. Das bedeutet, dass Produktzulassungen dieser neuen Approved Bodies in der EU künftig nicht mehr anerkannt werden.
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