Von Jan König und Ulrich Nees
Im Einführungsbeitrag der vergangenen Ausgabe ging es um die Frage "Energieeffizienz versus Nachhaltigkeit". Dass dies kein Widerspruch ist, wurde dabei deutlich. Um die Ziele Nachhaltigkeit und Energieeffizienz zu erreichen, müssen bestimmte Bedingungen von allen am Prozess Beteiligten erfüllt werden.
Das beginnt schon bei der richtigen Auswahl der Komponenten, sie ist wichtig, um ein System nachhaltig und energieeffizient zu betreiben. Doch die beste und nachhaltigste Komponente nützt nichts, wenn nicht weitere wichtige Faktoren erfüllt werden.
Dazu gehören etwa die Akzeptanz am Markt, die Verfügbarkeit, die Wirtschaftlichkeit, das Einbinden in eine Konstruktion, die Austauschbarkeit, mögliche Wechselwirkungen mit Blick auf das Thema Abnutzungsvorrat, das Design, die Montagefreundlichkeit, die Verfügbarkeit von Ersatzteilen usw. Nur wenn alle technischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten genutzt werden und die Entscheidungsträger die Ziele der Nachhaltigkeit und der Energieeffizienz unterstützen, steht einer Umsetzung in die Praxis nichts im Wege.
Offene Schnittstellen
"Nachhaltigkeit oder nachhaltige Entwicklung bedeutet, die Bedürfnisse der Gegenwart so zu befriedigen, dass die Möglichkeiten zukünftiger Generationen nicht eingeschränkt werden" – so formuliert das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung seine Vorstellung. Daraus folgt: Wenn Produkte bzw. Systeme durch zukünftige Generationen uneingeschränkt nutzbar sein und nachhaltig betrieben werden sollen, müssen die am Prozess beteiligten Kreise (Arbeitgeber / Betreiber, Nutzer, Verbraucher, ausschreibende Stellen usw.) offene, also frei zugängliche Produkte und Systeme nutzen.
Bei Aufzugsanlagen sind in Konsequenz offene (Bus-)Systeme mit entsprechenden offenen Schnittstellen für die Nachhaltigkeit wichtig. Dazu bedarf es zunächst einer Definition einheitlicher Schnittstellen. Dieser Aufgabe haben sich Normungsorganisationen (ISO, CEN, VDI u. a.) zum Teil schon gewidmet oder sind bereits dabei. Fakt ist aber auch: Es werden weiterhin sogenannte proprietäre* Systeme angeboten und angewandt. Die Frage muss an dieser Stelle erlaubt sein: Weiß der Großteil der Betreiber, in welche Abhängigkeit er sich damit begibt? Doch dieser Zusammenhang ist eher etwas für Bernd Betreiber.
Klingt gut, sagt aber wenig aus...
Die Zusammenstellung von Komponenten im System ist sehr wichtig. Auch die Eigenschaften von Komponenten, die man in der technischen Beschreibung findet, sollten beim Angebot von allen Beteiligten unbedingt beachtet und konkretisiert werden. Dabei geht es unter anderem um Funktionalität, Nachhaltigkeit und Energieeffizienz, sie müssen wichtige Faktoren für die Entscheidung sein.
Aussagen in Angeboten wie: "Mehr Komfort, einfache Bedienbarkeit, verbesserte Qualität, energiesparend, zukunftweisende Technologie" usw. klingen wunderbar, sind aber wenig aussagekräftig. Zumindest sollten sie auf ihre Belastbarkeit geprüft werden.
Wichtig für den Kunden sind in Bezug auf Nachhaltigkeit und Energieeffizienz Informationen zu:
1. dem Abnutzungsvorrat der Aufzuganlage und deren Komponenten,
2. dem Energiebedarf bei unterschiedlichen Beladungszuständen,
3. der Fahrqualität,
4. den Luft- und Körperschallemissionen,
5. der Nachhaltigkeit,
6. der Ersatzteilversorgung,
7. dem BUS-Protokoll/Schnittstellen,
8. der Entsorgung der Aufzuganlage und deren Komponenten usw.
Zum Großteil der benannten Punkte können und/oder wollen die Hersteller keine Aussagen treffen. Dies ist auch der Tatsache geschuldet, dass die Kunden bei den Vertragsverhandlungen nicht konkret genug nachfragen. Das liegt nicht nur an dem fehlenden Fachwissen der Kunden, sondern auch daran, dass das Thema Nachhaltigkeit (z. B. konkrete Verbrauchswerte) in der Branche viel zu wenig kommuniziert wird.
Die Kunden sollten hier durchaus selbstbewusst auftreten. Kaum jemand würde etwa bei seinem Pkw oder seinen Haushaltsgeräten akzeptieren, dass er keine einfachen Fragen nach dem Verbrauch und/oder der Nachhaltigkeit exakt beantwortet bekommt. Es gibt zwar diverse Labels in der Branche, doch die Frage ist, wie aussagekräftig und vergleichbar sie für die Kunden sind.
Wozu Betriebs-/Bedienungsanleitungen?
Zunächst: Wo ist überhaupt der Unterschied zwischen einer Betriebs- und Bedienungsanleitung? Die Antwort ergibt sich zum Teil aus der Bezeichnung. Die Betriebsanleitung enthält alle Informationen, Hinweise und Anweisungen, die der Anwender und Betreiber für den sicheren und bestimmungsgemäßen Betrieb der Anlage haben muss.
Also ist die Bedienungsanleitung nur ein Auszug aus der Betriebsanleitung mit dem Schwerpunkt auf die Nutzung des Aufzugs. Nun spielen aber Betriebs- und Bedienungsanleitungen eine wichtige Rolle bei der Nachhaltigkeit von Komponenten. Überrascht? Nun, die Auflösung ist banal. Denn in einer Betriebs- oder Bedienungsanleitung findet man "Versprechen", die juristisch vom Betreiber geltend gemacht werden können.
Bei vielen Betreibern kommen diese technischen Dokumentationen aber nicht an und werden trotz ihres Rechtsanspruchs darauf auch nicht eingefordert. Jetzt könnte man als Hersteller zum Schluss kommen, auf die Betriebs-/ Bedienungsanleitungen doch besser zu verzichten. Vorsicht: Vor diesem Schritt sollte man dringend umfassenden juristischen Rat einholen!
Wichtige Informationen fehlen...
Schaut man sich viele Betriebsanleitungen von Aufzuganlagen genauer an, stellt man fest, dass dort in der Regel wichtige Informationen fehlen, die in der DIN EN ISO 20607:2019-10 "Sicherheit von Maschinen – Betriebsanleitung – Allgemeine Gestaltungsgrundsätze" gefordert werden. Eine reine Aneinanderreihung von technischen Unterlagen ist aber mit Sicherheit keine Betriebsanleitung im Sinne der Normen, Richtlinien, VOB Teil C (DIN 18382) und des Produktsicherheitsgesetzes.
Sie hilft auch wenig bei dem Thema der Nachhaltigkeit und Energieeffizienz. Warum? Denn unvollständige technische Unterlagen machen es bei einem Angebot unmöglich, die Nachhaltigkeit und Energieeffizienz einer Komponente und ihr Zusammenspiel im Aufzug zu prüfen.
In eine vollständige Betriebsanleitung gehören deshalb u. a.:
• Energieeffizienzklasse bei unterschiedlichen Beladungen
• Luft- und Körperschallemissionen der Aufzuganlage
• Verfügbarkeit der Aufzuganlage
• ISO-Fahrqualität
• Beschreibung Busprotokolle / Schnittstelle
• Lebensdauer (Betriebsstunden/Anzahl der Motorstarts) der Komponenten
• Wartungen in Abhängigkeit der Nutzung (Betriebsstunden/Anzahl der Motorstarts)
Die ausschreibenden Stellen müssen wissen, dass sie diese Informationen mit Blick auf eine objektive Bewertung der Nachhaltigkeit und Energieeffizienz benötigen und deshalb von den Herstellern einfordern müssen. Denn ohne diese Daten bleibt den großen Zielen "Energieeffizienz und Nachhaltigkeit" Tür und Tor verschlossen.
Jan König ist Inhaber des Ingenieurbüros (VDI)
Ing4Lifts. Ulrich Nees ist Inhaber von "Aufzug-Systeme + Beratung Ulrich Nees".
Proprietäre Systeme: * "In der Informationstechnologie beschreibt das Wort "proprietär" eine Technologie oder ein Produkt, das ausschließlich einem einzigen Unternehmen gehört, welche das Wissen über die Technologie oder das Innenleben des Produkts sorgfältig schützt. Einige proprietäre Produkte können nur dann richtig, wenn überhaupt, funktionieren, wenn sie mit anderen Produkten desselben Unternehmens verwendet werden."
* Quelle: ComputerWeekly.de
https://www.computerweekly.com/de/definition/Proprietaer
Weitere Informationen: ing4lifts.de
aufzugsystemeberatung.de
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